Abwärtstrend in Venezuela Enttäuschung über Hugo Chávez

Caracas (RPO). Der Lack scheint allmählich zu blättern, aber eine Alternative bietet sich auch nicht an. In Venezuela büßt Staatschef Hugo Chávez zunehmend an Popularität ein. Umfragen zufolge haben viele Bürger die Nase voll von 27 Prozent Inflation, von einer stagnierenden Wirtschaft, von nicht funktionierenden Dienstleistungen - und von einer Regierung, die sie für unfähig halten, etwas dagegen zu tun.

Die verrückten Ideen des Hugo Chavez
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Foto: AFP

Von 61 Prozent nach der Wahl im Februar verlor der Präsident in den Erhebungen Monat für Monat an Zustimmung, wie Luis Vicente León vom Meinungsforschungsinstitut Datanalisis in Caracas berichtet. Vorigen Monat waren es noch 52,8 Prozent, und der Abwärtstrend hält an.

Nach über einem Jahrzehnt an der Macht ist Chávez noch immer der weitaus beliebteste, unverwüstlichste und umstrittenste Politiker des Landes. In jüngster Zeit allerdings klagen immer mehr Menschen über die hohen Lebenshaltungskosten und über eine Regierung, die ihre Versprechen nicht erfüllt.

"Große Offensive" zum Jahresende

"Was er alles ankündigt, wird immer nur zur Hälfte was", ärgert sich María Martinez. Die 32-jährige hat Chávez gewählt; inzwischen ist sie enttäuscht. Die Gesundheitsversorgung reiche nicht aus; und von den umgerechnet rund 330 Euro, die sie mit dem Straßenverkauf von Büchern verdiene, könne sie ihre fünf Kinder nicht mehr ernähren. Wasser gibt es in dem Elendsviertel von Caracas, in dem sie lebt, nur ab und zu, weil eine Hauptleitung kaputt ist und nicht gerichtet wird. "Immer sagen sie, sie reparieren die Leitung, und nie passiert was", sagt Martinez. "Sie versprechen und versprechen und bringen nichts fertig."

Bislang hätten jedes Mal, wenn seine Umfragewerte auf rund 50 Prozent gefallen seien, bei Chávez "die Alarmglocken geläutet" und er habe einen Ausweg gefunden, erklärt Meinungsforscher León. Der Staatschef habe sich schon aus schlechteren Situationen befreit und sei nach wie vor die stärkste Figur im Spiel.

Während die Ergebnisse in den letzten Monaten zurückgingen, kündigte Chávez unter anderem an, mehr kubanische Ärzte für die unterversorgten Kliniken anzustellen. Außerdem sollen Anleihen für umgerechnet gut fünf Milliarden Euro ausgegeben werden, um höhere Staatsausgaben zu ermöglichen. Für die letzten Monate dieses Jahres versprach er "eine große Offensive auf allen Gebieten: Politik, Soziales, Wirtschaft".

Sorgen wegen Wirtschaftskrise

Die nachlassende Unterstützung für Chávez hat León zufolge viel mit der Wirtschaftskrise zu tun. Bei weitem die größte Sorge bereitet den Menschen zwar mit 48 Prozent die Gewaltkriminalität. Doch für elf Prozent stehen den Erhebungen zufolge die hohen Lebenshaltungskosten an erster Stelle. Zehn Prozent der Befragten klagten über Arbeitslosigkeit. Probleme mit der Wasserversorgung nannten 3,2 Prozent, Stromausfälle drei Prozent und generell mangelhafte öffentliche Dienstleistungen weitere vier Prozent.

Der Staatshaushalt Venezuelas beruht zur Hälfte auf Öleinnahmen. Nach Jahren des Wachstums ist die Wirtschaft im zweiten Quartal um 2,4 Prozent geschrumpft. Nun versucht die Regierung den Trend zu drehen. Mehr Geld dürfte vor allem in gut sichtbare Projekte wie die bessere Versorgung von Krankenhäusern und mit subventionierten Lebensmitteln gesteckt werden.

Viel Lärm um nichts?

Enttäuschte Wähler zurückzugewinnen, bedürfte wohl einiger Überzeugungsarbeit. So sagt die Verkäuferin Ana Mendez, 20 Jahre alt und alleinerziehende Mutter, sie habe Chávez eigentlich gemocht. Aber er solle sich lieber um die Probleme Venezuelas kümmern, statt anderen Ländern mit billigem Öl und Hilfszahlungen unter die Arme zu greifen. "Er hat das Land vernachlässigt", glaubt sie.

"Er hat Rückhalt, er hat Charisma", findet dagegen die 36-jährige Yusmary Garrido, die an einem Plastiktisch sitzt und Handys minutenweise vermietet. Sie ist dem Präsidenten dankbar, weil sie jetzt kostenlos zur Hochschule gehen kann. Seine Gegner machten viel Lärm, hätten aber keine echte Alternative zu bieten, glaubt Garrido: "Bislang gibt es niemanden, der es mit ihm aufnehmen kann."

(AP/felt)
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