Syriens Diktator Assad bittet Putin um Geld Entführung von Pilgern spitzt Lage weiter zu

Damaskus/Moskau/Teheran · Der Bürgerkrieg ohne Ende lässt Syrien auch wirtschaftlich ausbluten. Das Assad-Regime muss Waffenlieferant Russland um Hilfe bitten. Die Entführung von 47 iranischen Pilgern könnte den Konflikt in der Region weiter zuspitzen.

Eine Chronologie der Unruhen
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Foto: dapd, Bilal Hussein

Nach fast 17 Monaten Krieg gegen das eigene Volk gerät der syrische Machthaber Baschar al-Assad auch wirtschaftlich in Bedrängnis. Wie russische Medien berichteten, wurde das Regime in Damaskus in Moskau vorstellig, um vom Verbündeten Russland finanzielle Hilfe zu erbitten. In der Wirtschaftsmetropole Aleppo berichtete die Opposition von den schwersten Kämpfen seit Tagen. Unbekannte entführten unterdessen in Damaskus mit Waffengewalt Dutzende iranische Pilger.

Nach Informationen der iranischen Botschaft in Damaskus wurden die insgesamt 47 Wallfahrer auf dem Weg zum internationalen Flughafen von einer "bewaffneten terroristischen Gruppe" verschleppt. Der Schrein der Sajjida Zeinab in Damaskus ist ein beliebter Wallfahrtsort für Pilger aus dem schiitischen Iran. Das Mullah-Regime gilt als wichtigster Verbündeter des Regimes von Baschar al-Assad.

Das syrische Regime machte für seine wirtschaftlichen Probleme die USA und die EU und deren Sanktionen gegen das Land verantwortlich. Russland kritisierte die jüngste Verurteilung Syriens durch die UN-Vollversammlung, obwohl die Resolution vom Freitag auf Betreiben Moskaus und Pekings schon entschärft worden war.

Russland hat die Aufgabe übernommen, Syrien zu helfen

Den Berichten zufolge gehen dem Regime in Damaskus vor allem raffinierte Erdölprodukte wie Diesel aus. Die Delegation um Vizeregierungschef Kadri Dschamil habe "eine gewisse Summe in harter Währung beantragt, um die komplizierte Lage in Syrien zu überbrücken", hieß es. Dschamil wurde mit den Worten zitiert: "Russland hat die Aufgabe übernommen, Syrien in der aktuellen Lage wirtschaftlich zu unterstützen." Er erhoffe sich in den nächsten Wochen konkrete Schritte. Von russischer Seite lag zunächst keine Reaktion vor.

Beobachter verweisen auf die enormen volkswirtschaftlichen Kosten eines anhaltenden Bürgerkriegs, der ganze Landesteile wirtschaftlich lahmlegt, Teile der Bevölkerung am Arbeiten hindert und öffentliches wie privates Eigentum in beträchtlichem Maße zerstört. Im umkämpften Aleppo wehrte das Militär die Attacke der Aufständischen gegen das Rundfunkgebäude mit Kampfflugzeugen ab, wie ein örtlicher Rebellenkommandeur sagte. Dabei wurden nach Regimeangaben zahlreiche Aufständische getötet.

Um die Kontrolle über die nordsyrische Millionenstadt kämpfen Regierungstruppen und Rebellen nun schon seit zwei Wochen. Bei den laut syrischer Opposition schwersten Kämpfen seit Tagen griffen Regierungstruppen mit schweren Waffen erneut ein von Rebellen kontrolliertes Viertel in Aleppo an. Der Versuch sei aber gescheitert, den Stadtteil Salaheddin mit Unterstützung von Kampfhubschrauber und Artilleriebeschuss einzunehmen zu erstürmen, sagte der örtliche Rebellenkommandeur Abu Omar Halabi der Nachrichtenagentur dpa.

Damaskus wieder unter Kontrolle des Militärs

Einem Zeitungsbericht zufolge haben die Vereinten Nationen vorübergehend die Hälfte ihrer Beobachter aus Aleppo abgezogen. Der Zusammenbruch des Mobilfunknetzes zwinge die UN zu diesem Schritt, sagte eine Sprecherin.

Die Hauptstadt Damaskus dagegen ist inzwischen wieder weitgehend unter Kontrolle des Militärs. In tagelangen heftigen Kämpfen eroberten Assads Truppen das Stadtviertel Al-Tadamun, die letzte Rebellenhochburg der syrischen Hauptstadt, zurück. Nach Angaben eines lokalen Aktivisten sollen die Sicherheitskräfte bei Hausdurchsuchungen mehrere Menschen an Ort und Stelle erschossen haben. Von unabhängiger Seite lassen sich diese Informationen nicht überprüfen.

Unterdessen wurde bekannt, dass islamistische Extremisten einen prominenten Moderator des staatlichen syrischen Fernsehens entführt und ermordet haben. Wie die Syrischen Menschenrechtsbeobachter mitteilten, hat sich zu der Tat die Dschihadisten-Organisation Al-Nusra-Front bekannt.

Das Rote Kreuz appellierte an Regierung und Rebellen, Zivilisten von Gewalt zu verschonen. "Wir rufen alle an den Kämpfen beteiligten Gruppen zur Beachtung der Pflichten auf, die sich für sie aus dem humanitären Völkerrecht ergeben", erklärte das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) in Genf und Damaskus. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton zeigte sich besorgt über Berichte, wonach libanesische Behörden syrische Flüchtlinge in ihr Heimatland zurückschickten, obwohl ihnen dort möglicherweise Folter drohe.

China und Russland votieren erneut mit Nein

Die UN-Vollversammlung versucht mit ihrer Resolution ein Zeichen gegen das Blutvergießen in Syrien und das "Unvermögen des UN-Sicherheitsrats" zu setzen. In einer nicht bindenden Erklärung warfen die Mitgliedstaaten dem höchsten UN-Gremium vor, bislang nichts gegen die Eskalation der Gewalt erreicht zu haben.

Die Regierung in Damaskus wurde in der Resolution unter anderem aufgerufen, Chemie- und Biowaffenbestände unter Verschluss. Verurteilt wurden zudem Angriffe syrischer Truppen, Milizen und Geheimdienstler auf Kinder im Alter von bis zu neun Jahren sowie der zunehmende Einsatz schwerer Waffen wie Panzer und Helikopter.

Die Resolution wurde von 133 der 193 UN-Mitgliedsstaaten angenommen. Zwölf Länder, darunter Russland und China, sprachen sich dagegen aus, 31 enthielten sich. Die von arabischen Staaten eingebrachte Resolution hatte ursprünglich eine Rücktrittsforderung an Assad sowie einen Aufruf zu Sanktionen gegen Damaskus enthalten.

Die beiden zentralen Punkte wurden jedoch nach Bedenken Moskaus und Pekings fallen gelassen. Russland und China hatten zuvor im Sicherheitsrat rechtlich bindende Resolutionen gegen die syrische Regierung mit ihrem Veto als ständiges Mitglied mehrfach blockiert.

Westerwelle erfreut über Resolution

Bundesaußenminister Westerwelle (FDP) begrüßte die Verabschiedung der Resolution. Die internationale Gemeinschaft sei nicht bereit, zu der Gewalt in Syrien und dem Krieg des Assad-Regimes gegen sein eigenes Volk zu schweigen, teilte er mit. Vor der Abstimmung hatte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon an das jüngste Aufflammen der Gewalt in Aleppo erinnert.

"Der Syrien-Konflikt ist ein Test für all das, wofür diese Organisation steht", sagte Ban. "Ich will nicht, dass die heutigen Vereinten Nationen bei diesem Test durchfallen."

Im Hintergrund bereitet sich die syrische Opposition nach eigenen Angaben auf die Zeit nach dem Bürgerkrieg vor. "Ich denke, das Regime ist in den Prozess des Zusammenbruchs eingetreten", sagte die Sprecherin des in Paris ansässigen Syrischen Nationalrats, Bassma Kodmani.

Ein Machtvakuum auf politischer Ebene dürfe nicht eintreten und die Opposition diskutiere derzeit intensiv in Zusammenarbeit mit der überwiegend aus Deserteuren bestehenden Freien Syrischen Armee, welche Form eine Übergangsregierung haben solle.

Eine Alternative zu Assads Regierung könne auch bereits in den staatlichen Institutionen arbeitende Funktionäre oder gar Angehörige der regierenden Baath-Partei einschließen, sagte Kodmani. Der Übergangsprozess müsse neben der politischen auch von der militärischen Säule getragen werden. Auch eine Beteiligung des desertierten Generals und früheren Freunds Assads Manaf Tlass schloss sie nicht aus.

(APD)
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