Russische Journalistin Natalja Estemirowa Empörung über Mord an Menschenrechtlerin

Moskau/München (RP). Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den Mord an der russischen Menschenrechtlerin Natalja Estemirowa als "nicht hinnehmbar" verurteilt. Sie habe beim Treffen mit dem russischen Präsidenten Dmitri Medwedew ihre Bestürzung geäußert, sagte Merkel nach den deutsch-russischen Konsultationen in Schloss Schleißheim bei München. Weltweit äußerten sich Politiker und Menschenrechtler empört über die Tat.

 Natalja Estemirowa kämpfte für die Menschenrechte.

Natalja Estemirowa kämpfte für die Menschenrechte.

Foto: AP, AP

Der russische Präsident würdigte die Arbeit von Estemirowa als "wertvoll" und kündigte an, das Verbrechen werde auf das Gründlichste untersucht. Die Täter würden bestraft. Der Mord sei eine Provokation und habe mit den Aktivitäten Estemirowas zu tun. Die 50-Jährige war am Mittwoch aus ihrem Büro in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny verschleppt und wenig später in der Nachbarrepublik Inguschetien erschossen aufgefunden worden.

Estemirowa war Mitarbeiterin der russischen Organisation "Memorial". Ähnlich wie die 2006 ermordete Journalistin Anna Politkowskaja, mit der sie auch zusammenarbeitete, sammelte sie Informationen über Morde, Folter und Entführungen in Tschetschenien. "Ich fühle, dass ich Annas Arbeit fortführen muss", sagte sie einmal nach dem Tod Politkowskajas.

Sie selbst war Witwe, zog ihre Tochter alleine auf, nachdem ihr Mann bei einem Bombenangriff ums Leben gekommen war. Immer wieder baten Freunde Natalja Estemirowa, Tschetschenien zu verlassen — zuletzt, nachdem im Januar in Moskau der Menschenrechtsanwalt Stanislaw Markelow und die kremlkritische Journalistin Anastassja Baburowa erschossen wurden. Beide hatten Material von Estemirowa für ihre Recherchen genutzt. Doch die Appelle der Freunde waren vergeblich: Die Schicksale der Menschen, die durch russische Soldaten oder tschetschenische Milizen verschleppt und gequält wurden, ließen der mutigen Frau keine Ruhe, sie kehrte immer wieder nach Tschetschenien zurück.

Ihr Engagement brachte Natalja Estemirowa mehrere internationale Auszeichnungen ein — und viele Feinde. Ihre Kollegen von "Memorial" machen den tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow als Drahtzieher für den Mord verantwortlich. "Ich weiß, dass Kadyrow Natalja als persönliche Feindin betrachtete", sagte Oleg Orlow, der Vorsitzende der Organisation. Mehrfach habe der tschetschenische Präsident die Menschenrechtlerin kritisiert und bedroht. Er könne allerdings nicht sagen, ob der Mordbefehl von Kadyrow persönlich oder von seinen Untergebenen ausgegangen sei, so Orlow.

Menschenrechtler haben den ehemaligen Milizführer Kadyrow immer wieder mit dem Mord an Anna Politikowskaja in Verbindung gebracht. Kadyrow selbst verurteilte das Verbrechen an Nastalja Estemirowa als Anschlag auf den Frieden in Tschetschenien. Aus dem Kreml hieß es, Motiv für den Mord sei Estemirowas Tätigkeit für die Menschenrechtsbewegung gewesen, weshalb die Tat besonders hart bestraft werden müsse.

(RP)
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