„Von allen guten Geistern verlassen“ Macron fordert mehr Unabhängigkeit Europas von USA und China – scharfe Kritik aus Deutschland

Berlin · Frankreichs Präsident Emmanuel Macron fordert eine unabhängigere Rolle Europas gegenüber den USA und China. Speziell in der Taiwan-Frage dürfe Europa kein „Mitläufer“ sein. Aus Deutschland kommt scharfe Kritik als Antwort.

 Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (rechts) neben Chinas Präsident Xi Jinping in Guangdong.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (rechts) neben Chinas Präsident Xi Jinping in Guangdong.

Foto: AFP/JACQUES WITT

„Macron scheint von allen guten Geistern verlassen“, sagte der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen der „Bild“-Zeitung (Dienstagsausgabe). „Während es Amerika ist und nicht Frankreich oder Deutschland, das die Ukraine maßgeblich unterstützt und damit Europa verteidigt, fordert Macron eine Abkehr von Amerika. Während China gerade den Angriff auf Taiwan übt, verlangt Macron eine Annäherung an China“, sagte Röttgen weiter.

Der französische Präsident hatte in einem am Sonntag veröffentlichten Interview in der französischen Zeitung „Les Echos“ gefordert, dass Europa in der Taiwan-Frage kein „Mitläufer“ sein dürfe. „Das Schlimmste wäre es zu denken, dass wir Europäer Mitläufer sein und uns dem amerikanischen Rhythmus und einer chinesischen Überreaktion anpassen müssten“, sagte der Staatschef.

Europa müsse „aufwachen“. „Unsere Priorität kann es nicht sein, uns der Agenda von anderen in allen Weltregionen anzupassen“, sagte Macron. Europa riskiere, „zu Vasallen zu werden, während wir der dritte Pol sein können, wenn wir ein paar Jahre Zeit haben, ihn aufzubauen“, sagte Macron, der in der vergangenen Woche den chinesischen Präsidenten Xi Jinping in Peking getroffen hatte. Das Interview wurde am Freitag während seines China-Besuchs geführt.

Mit einer solchen „naiven und gefährlichen Rhetorik“ schwäche und spalte Macron Europa, fügte Röttgen hinzu. Das Thema Taiwan stehe für den globalen Machtanspruch Chinas; eine Weltordnung nach chinesischen Vorstellungen sei nicht im Interesse Europas.

Der SPD-Außenpolitiker Metin Hakverdi sagte dem „Tagesspiegel“ (Dienstagsausgabe), es sei „ein schwerer Fehler“, sich als Westen ausgerechnet im Umgang mit Peking spalten zu lassen. „Das schwächt unsere westliche Wertegemeinschaft“, sagte Hakverdi. „Gegenüber China muss der Westen, also Europa und die USA, immer versuchen, gemeinsam aufzutreten, nicht gespalten.“

Der CDU-Europapolitiker Christoph Ploß wies Macrons Vorstoß ebenfalls zurück. „Wenn Macron nun einen separaten Weg Europas ohne den engen Schulterschluss mit den USA anstrebt, wäre das fatal“, sagte Ploß dem „Tagesspiegel“. Die USA seien der wichtigste Partner Deutschlands außerhalb Europas.

„Wer für Freiheit und Demokratie eintritt, ist kein Mitläufer“, kritisierte auch der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber. Die EU-Staaten machten sich unglaubwürdig, „wenn man einerseits Souveränität für Europa einfordert und dann jeden Wirtschaftsdeal mit China abschließt, den man kriegen kann“, sagte er den Zeitungen der Mediengruppe Bayern. „Die chinesische Führung wird die Europäer so nicht respektieren“, betonte der EVP-Chef.

Macron hatte bei seinem Besuch in China auch für ein Wiederankurbeln der französisch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen geworben. Am Rande des Staatsbesuchs wurden zahlreiche Wirtschaftsverträge unterzeichnet. So will etwa der europäische Flugzeugbauer Airbus seine Produktion in China verdoppeln, EDF beteiligt sich an einem Offshore-Windpark in Jiangsu, und auch Alstom, L'Oréal und weitere französische Unternehmen schlossen Verträge ab.

(hebu/AFP)
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