US-Demokratin will Präsidentin werden Einmal sah Elizabeth Warren gegen Donald Trump schon schlecht aus

Washington · Elizabeth Warren war Rechtsgelehrte und kämpfte gegen die Übermacht der Banken. Jetzt will die Demokratin Donald Trump aus dem Weißen Haus jagen. Dieser hatte sie einst mit dem Spitznamen „Pocahontas“ zur Weißglut gebracht.

Wieder brachte sie ihre Familiengeschichte ins Spiel. Wieder erzählte sie von ihrem Vater, der, angestellter Teppichverkäufer in Oklahoma City, eine Herzattacke erlitt und seinen Job verlor. Worauf bald auch der Verlust der eigenen vier Wände drohte, nachdem schon das Auto verkauft werden musste. Bis ihre Mutter im Sonntagskleid zum nächsten Kaufhaus der Kette Sears lief, um nach einer Stelle zu fragen. Im Alter von 50 Jahren begann Pauline Herring Waschmaschinen zu verkaufen, wofür sie den Mindestlohn erhielt. Der Mindestlohn, ruft Elizabeth Warren in Erinnerung, reichte damals noch, um eine Familie über Wasser zu halten. Heute dagegen, knapp sechs Dekaden später, würde bei einem ähnlichen Schicksalsschlag der sofortige Abstieg drohen.

Das alles hat Warren schon oft erzählt. Am Silvestertag verdichtete sie es zu einem Video, mit dem sie ihre Kandidatur fürs Weiße Haus ankündigte. Damit eröffnet sie, ähnlich früh wie Hillary Clinton und Barack Obama im Jahr 2007, den Kandidatenwettstreit der Demokraten. „Amerikas Mittelschicht wird ausgehöhlt“, lautet ihr Schlüsselsatz. Wer aus einfachen Verhältnissen nach oben strebe, der habe es ungleich schwerer als ihre Generation. Ihre große Chance sei ein College gewesen, das pro Semester gerade mal 50 Dollar an Studiengebühren gekostet habe. Heute völlig illusorisch. „Und warum? Weil Milliardäre und Großunternehmen entschieden haben, dass sie mehr vom Kuchen wollen. Weil sie Politiker damit beauftragt haben, ihnen ein größeres Stück davon abzuschneiden.“

Es ist die gleiche Botschaft, mit der Bernie Sanders an den Start des Rennens um die Präsidentschaft gegangen war, ehe er der Favoritin Clinton im Vorwahlduell überraschend knapp unterlag. Warren spricht die gleichen Wähler an wie Sanders, wie Sanders symbolisiert sie den linken Flügel der amerikanischen Politik. Anders als Sanders, der nominell als Unabhängiger im Senat sitzt, bekennt sie sich allerdings zur Fraktion der Demokraten.

Die schätzt die Kompetenz, mit der die heute 69-Jährige im Schock der Finanzkrise zu punkten verstand. Die rechten Rebellen der Tea Party wetterten damals gegen die Wall Street – und gegen die Politik­elite, der sie vorwarf, sich von Big Money korrumpieren zu lassen. Auch Warren las den Bankern mit ihrer Gier die Leviten, nur stimmte sie nie ein in den populistischen Chor, wonach das Establishment die Wurzel allen Übels und das Staatswesen ein einziger Sumpf sei.

Ob sie auch im Mittleren Westen ankommt, dort, wo Donald Trump 2016 die Wahl gewann, beurteilen Beobachter allerdings skeptisch. Bevor sie in die Politik ging, war sie Professorin in Harvard, für den Ostküstenstaat Massachusetts sitzt sie im US-Senat. In den Augen ihrer Kritiker ist sie eine klassische Vertreterin jener linksliberalen, zur Arroganz neigenden Elite, von der sich die weiße Arbeiterschaft in Staaten wie Michigan, Ohio oder Wisconsin abgewandt hat. Dort aber muss gewinnen, wer Trump 2020 besiegen will.

Zuletzt, bei einem Fernduell mit dem Präsidenten, sah Warren nicht gut aus, zumal sie sich auf eine Schlammschlacht mit diesem Spezialisten für Schlammschlachten einließ. Trump reizte sie, indem er sie als „Pocahontas“ verspottete, nach der legendenumwobenen Indianerin des 17. Jahrhunderts. Ihr Stammbaum, hatte sie zuvor wissen lassen, gehe auf amerikanische Ureinwohner zurück. Trump verhöhnte sie so lange, bis sie einen DNA-Test in Auftrag gab, bei dem herauskam, dass zu ihren Vorfahren vor sechs bis zehn Generationen offenbar tatsächlich Indianer gehörten. Dann aber meldeten sich Sprecher von Ureinwohnern zu Wort, die verärgert kommentierten, Zugehörigkeit ergebe sich durch kulturelle Nähe, weniger durch Blutsbande. Das Kapitel dürfte Warren auch im Wahlkampf noch eine Weile begleiten.

Nach Stationen in Austin und Philadelphia begann sie 1995 an der Harvard Law School Insolvenzrecht zu lehren. Ins Rampenlicht trat sie, als dem Platzen der Immobilienpreisblase noch vor der Finanzkrise eine Lawine von Zwangsvollstreckungen folgte, ausgelöst durch Subprime-Hypotheken, deren anfangs verlockend niedrige Zinsen nach einer gewissen Zeit dramatisch anstiegen. Um Wiederholungen zu vermeiden, forderte sie eine Verbraucherschutzbehörde mit Biss: Es gehe nicht an, dass es für jeden Toaster exakte Sicherheitsvorgaben gebe, nicht aber für hochwichtige Kreditverträge. Die Casino-Mentalität der Geldinstitute hat die Gelehrte damals in bissiger Satire aufgespießt. „O Gott, der arme Mister Banker. Er kassiert Millionen, weil er seinen Job wirklich gut macht. Wie konnte er da wissen, dass seine Bank kurz vor dem Kollaps stand?“, schrieb sie in ihren Memoiren.

Die Vorstellung, einige Finanzinstitute seien zu groß, um sie scheitern zu lassen, verführe die Branchenriesen dazu, sich wie Betrunkene „an einem wilden Wochenende in Las Vegas“ zu benehmen. 2012 schließlich wurde sie von den Bürgern von Massachusetts zur Senatorin gewählt.

(FH)
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