535 Tage nach Parlamentswahl Einigung auf neue Regierung in Belgien

Brüssel · Nach mehr als anderthalb Jahren Machtvakuum ist in Belgien offenbar eine Einigung über die Regierungsbildung erzielt worden. Die sechs an den Gesprächen beteiligten Parteien verständigten sich 535 Tage nach der Parlamentswahl auf ein "umfassendes" Abkommen, wie am Mittwochabend aus Verhandlungskreisen in Brüssel verlautete.

Der Sozialist Elio Di Rupo soll als erster Frankophoner seit 32 Jahren die Regierung führen.

An den Verhandlungen waren die Christdemokraten, Sozialisten und Liberalen aus beiden großen Volksgruppen des Landes - Flamen und Wallonen - beteiligt. Unklar war noch, wer außer Di Rupo der Regierung angehören soll.

Seit 1974 war Belgien nicht mehr von einem Sozialisten regiert worden, seit 1979 nicht mehr von einem Wallonen. Der 60-jährige Di Rupo verließ den Verhandlungsraum am Mittwochabend mit einem Lächeln, aber ohne Kommentar.

Aus Verhandlungskreisen hieß es, die Inhalte des Kompromisses würden erst mitgeteilt, wenn die Parteitage der beteiligten Parteien sie am kommenden Wochenende absegnet hätten. "Gegen Ende des Wochenendes" werde die Verteilung der Ministerposten entschieden, die Vereidigung der Regierung könne dann am Montag oder Dienstag folgen.

Erst mit der offiziellen Einsetzung einer neuen Regierung, die auch noch vom Parlament gebilligt werden muss, könnte das Ende der politischen Krise in Belgien endgültig verkündet werden.

Seit April 2010 ist in Belgien nur noch eine kommissarische Regierung im Amt. Damals war die Regierungskoalition an einem Streit zwischen Flamen und Frankophonen zerbrochen. Nach den Neuwahlen vom Juni 2010 blieben alle Anläufe für eine neue Regierungsbildung erfolglos.

Die Schuldenkrise hatte die zerstrittenen Flamen und Wallonen gezwungen, sich endlich zu einigen. Die Ratingagentur Standard & Poors hatte Belgiens Kreditwürdigkeit am Freitag herabgestuft. Am Wochenende gelang den Lagern ein Durchbruch in den Verhandlungen zum Haushalt 2012, sie einigten sich auf umfassende Sparmaßnahmen.

Neben den Grünen wird auch die größte Partei Flanderns, die nationalistische N-VA, nicht an der geplanten Regierung beteiligt sein. Für die Flamen handle es sich um eine "Minderheitsregierung, die Sparmaßnahmen beschließt, welche eine Mehrheit der Flamen bezahlen muss", kritisierte N-VA-Chef Bart de Wever.

Die Flamen machen 60 Prozent der belgischen Bevölkerung aus, ihre Region ist wohlhabender als die südliche Wallonie.

(AFP)
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