EU-Gipfel in Brüssel Ein Nein und ein Vielleicht für Merkel

Brüssel (RPO). Die EU berät in Brüssel über die Zukunft des Euro und der Gemeinschaft. Bundeskanzlerin Angela Merkel war mit der Forderung nach einem Stimmrechtsentzug für notorische Defizitsünder angereist – konnte sich aber nicht durchsetzen. Immerhin ein Zugeständnis konnte sie den Partnern abringen: Der grundsätzliche Widerstand gegen Vertragsänderungen, um härtere und schnellere Sanktionen bei Verstößen gegen die Schuldenregeln verhängen zu können, wurde aufgegeben.

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Foto: ddp

Brüssel (RPO). Die EU berät in Brüssel über die Zukunft des Euro und der Gemeinschaft. Bundeskanzlerin Angela Merkel war mit der Forderung nach einem Stimmrechtsentzug für notorische Defizitsünder angereist — konnte sich aber nicht durchsetzen. Immerhin ein Zugeständnis konnte sie den Partnern abringen: Der grundsätzliche Widerstand gegen Vertragsänderungen, um härtere und schnellere Sanktionen bei Verstößen gegen die Schuldenregeln verhängen zu können, wurde aufgegeben.

Die EU-Staaten haben sich nach Diplomatenangaben grundsätzlich auf eine Verschärfung des Euro-Stabilitätspaktes geeinigt. Die Staats- und Regierungschefs billigten demnach am Donnerstagabend beim EU-Gipfel in Brüssel einen Bericht der Finanzminister unter Leitung von EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy, der härtere und schnellere Sanktionen bei Verstößen gegen die Schuldenregeln vorsieht.

Laut Diplomatenkreisen gibt es keinen grundsätzlichen Widerstand gegen die von Merkel verlangten Vertragsänderungen. Allerdings wollten mehrere Staaten erst grünes Licht für die Änderungen geben, wenn sie die Einzelheiten für den geplanten Rettungsmechanismus für den Euro-Raum kennen würden, hieß es weiter. "Deswegen wird es heute keine Entscheidung darüber geben", verlautete aus diplomatischen Kreisen.

EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy soll den Angaben zufolge beauftragt werden, bis zum Dezember Einzelheiten für einen Rettungsschirm mit privater Gläubigerbeteiligung vorzulegen. Dies geht Merkel aber nicht weit genug. Die Kanzlerin war mit der klaren Forderung nach Brüssel gereist, bereits auf dem Gipfel ein konkretes Mandat für erforderliche Vertragsänderungen zu erhalten. Damit zeichnete sich eine harte Verhandlungsnacht ab.

"Nein" zum Stimmrechtsentzug

Der Forderung Deutschlands nach einem Stimmrechtsentzug für hartnäckige Defizitsünder wurde allerdings durch die EU-Partner eine Absage erteilt. Mehrere Staats- und Regierungschefs kündigten in Brüssel ihren Widerstand gegen eine solche Sanktion an. Gleichwohl bekräftigte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zum Auftakt des EU-Gipfels ihre Forderung und erklärte, sie wolle das "kontroverse Thema" auf der Tagesordnung halten.

Die EU-Kommission und eine Reihe von Mitgliedstaaten von Luxemburg über Griechenland bis Polen wehrten sich gegen die deutsch-französische Forderung nach einem Stimmrechtsentzug. Der polnische Regierungschef Donald Tusk nannte Merkels Ansinnen "exotisch und wenig realistisch"; sein dänischer Kollege Lars Lokke Rasmussen erklärte, er werde seine Zustimmung verweigern.

Auch Österreich hat der deutschen Forderung nach einem Stimmrechtsentzug für EU-Defizitsünder eine Absage erteilt. "Wir sind da sehr, sehr kritisch. Und es gibt viele Gegenstimmen", sagte Vizekanzler Josef Pröll am Donnerstag vor dem Beginn des EU-Gipfels in Brüssel. Er warnte auch vor einer Öffnung der Verträge, weil dies langjährige Ratifizierungsverfahren zur Folge hätte. "Deswegen sollten wir einen Kompromiss finden, sodass Defizitsünder rasch an die Kandare genommen werden können und sich Konsequenzen nicht auf Jahre verzögern."

Barroso: "Vorschlag inakzeptabel"

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso nannte Merkels Vorschlag "inakzeptabel". Er sei nicht mit der Idee einer begrenzten Vertragsänderung vereinbar und werde niemals die nötige Einstimmigkeit erhalten. Für einen Stimmrechtsentzug wäre die einhellige Zustimmung aller 27 Mitgliedsländer sowie eine aufwendige Änderung des EU-Vertrages von Lissabon erforderlich, um dessen Verabschiedung die EU ein Jahrzehnt lang gerungen hatte.

Merkel verwies bei ihrem Eintreffen in Brüssel darauf, dass der Vertrag bereits die Möglichkeit zum Stimmrechtsentzug für Mitgliedsländer vorsehe, die grundlegende europäische Werte verletzten. "Ich werde hier deutlich machen, dass aus meiner Sicht eine Politik, die den Euro als Ganzes in Gefahr bringt, die unsere Wirtschafts- und Währungsunion in Gefahr bringt, auch eine Politik ist, die an den Grundwerten der Europäischen Union rüttelt", sagte die Kanzlerin.

Das Bundesfinanzministerium hat bereits Pläne für einen ständigen Krisenmechanismus für überschuldete EU-Staaten in der Schublade liegen. Regierungskreise bestätigten der Nachrichtenagentur AFP am Donnerstag entsprechende Informationen des "Handelsblatts". Wenn der EU-Gipfel bis Freitag ein Mandat für einen solchen Mechanismus beschließe, werde Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) das Konzept Mitte November präsentieren, hieß es in Berlin.

"Es geht darum, eine staatliche Insolvenz zu vermeiden", sagte ein Regierungs-Mitarbeiter. Den Angaben zufolge will die Bundesregierung den Privatsektor an den Kosten möglicher Rettungsaktionen beteiligen. Mögliche Elemente des Konzepts sind eine Verlängerung der Laufzeit der Schulden oder eine Umschuldung. Die Rettungsschirme für Griechenland und andere Euro-Staaten laufen 2013 aus.

(AFP/dapd/)
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