In vier Monaten fällt die Entscheidung Ein müder Obama macht Wahlkampf

Der Wahlkampfbus, mit dem der US-Präsident dieser Tage durch die Gegend kurvt, ist ein monströses Gefährt. Schwarz in schwarz, riesig, ein Ungetüm, das einem überdimensionalen Leichenwagen ähnelt. Passt überhaupt nicht zu einem so jugendlichen Typen wie Barack Obama. Oder doch? Obama jedenfalls wirkt müde.

Amerika steht vor einer Richtungswahl
13 Bilder

Amerika steht vor einer Richtungswahl

13 Bilder

Jeder, der den Präsidenten von Angesicht zu Angesicht gegenübertritt, ist überrascht, wie jung der Mann noch immer wirkt. Sicherlich, das Haupthaar ist grau geworden, die Gesichtszüge sind ernster als vor vier Jahren. Auch das freie, das unbeschwerte Lachen von einst ist verschwunden.

Aber die jungen und älteren Frauen, die ihn in diesem heißen Sommertagen auf Wahlkampftour begrüßen, sind immer noch hingerissen. "Er sieht verdammt gut aus", schwärmt eine junge, schwarze Frau in Parma (Ohio), kaum dass der Präsident dem großen Bus entstiegen ist.
Das ist der erste Eindruck.

Der zweite Eindruck: Barack Obama weiß, dass er mit dem Rücken zur Wand steht. Er muss bangen und zittern, dass er kein "one term president" wird, ein Präsident, der nicht wiedergewählt wird. Die Konjunktur, die nicht recht anspringt, die Arbeitslosigkeit, die partout nicht sinken will, und die Umfragen, die nichts Gutes verheißen - schlimmer könnte es kaum kommen. Obama ist in die Defensive geraten - und er macht keinen Hehl daraus.

"Ich bin ganz bestimmt kein perfekter Präsident", gesteht er freimütig bei einem Wahlkampf-Stop in Parma (Ohio) ein. "Wenn Ihr noch an mich glaubt", fährt er fort, "wenn ihr noch an mich glaubt...dann werden wir das zu Ende bringen, was wir vor vier Jahren angefangen haben". Das hört sich an wie Bitten und Flehen - Siegesgewissheit klingt anders.

Obama auf Wahlkampftour: Es geht ins ländliche Ohio und nach Pennsylvania. Sieben Auftritte in zwei Tagen. Die kleinen Ortschaften, die er besucht, haben Namen wie Maumee, Sandusky und Parma. Das Publikum besteht aus treuen demokratischen Wählern, Arbeiter mit groben Händen und in Turnschuhen, viele ältere und beleibte Männer und Frauen in kurzen Hosen. Es sind Heimspiele für den Präsidenten. Stundenlang warten die Menschen in brütender Hitze, lokale Politmatadoren versuchen, die Stimmung anzuheizen - so recht gelingen will das nicht.

Kaum ist der Präsident auf der Bühne, beginnen die Rufe. "Four more years, four more years". Das klingt brav und trotzig - doch echt mitreißend kann man das kaum nennen. Eher ein fader Abklatsch vom enthusiastischen "Yes we can" in Obamas erstem Präsidentenwahlkampf.

"Irgendetwas fehlt", muss selbst Greg Lockhurst (38) zugeben, ein eingefleischter Obama-Helfer, der sonst nichts auf seinen Präsidenten kommen lässt. "Es ist schwer zu sagen, aber es ist anders als vor vier Jahren", windet sich der Mann. Ist es der Enthusiasmus, der fehlt, die Siegesgewissheit, die damals vor vier Jahren herrschte, oder die Vision und das Selbstbewusstsein, die Welt zum Besseren zu führen?

Kein Zweifel: Die Magie und der Zauber, die den ersten schwarzen Präsidenten der Vereinigten Staaten einst umgeben und ins Weiße Haus getragen hatten, sind längst verflogen. Ob er das selbst auch spürt, wenn er vor seinem Publikum mühsam versucht, Stimmung zu machen?

Obamas Wahlkampfreden beginnen stets mit einer ganz persönlichen Botschaft. Als erstes berichtet er von seiner Familie ("Michelle lässt Euch grüßen"), erzählt von seinem Großvater, seiner Mutter, die alle hart gearbeitet hätten. Ganz bedächtig kommt er so zum eigentlichen politischen Teil, zur Botschaft, die ihm die Wiederwahl sichern soll: Obama spricht vom "American Dream", davon, dass in Amerika jeder, der hart arbeitet, eine Chance haben soll.

"Der amerikanische Traum löst sich für immer mehr Menschen auf", ruft er seinem Publikum zu - doch er tut dabei so, als sei er die letzten vier Jahr nicht Präsident gewesen.

Immer wieder geht Obama auf die Krise in Amerika ein. Beschreibt die Probleme, an denen das Land leidet: Den Kampf der kleinen Leute, die ihr Häuschen nicht mehr bezahlen können, die Schwierigkeiten, ihre Kids aufs College zu schicken. Er beschreibt die marode Infrastruktur in Amerika, die schlechten Straßen, die mangelnden Breitbandkabel fürs Internet auf dem Land - doch er spricht so, als trage er nicht die Verantwortung dafür, wie sich das Land entwickelt hat. Als seien es andere, auf die die Schuld fällt, sein Gegner Mitt Romney und die Republikaner, die die Zeit (angeblich) zurückdrehen wollten.

"We can do better" (Wir können es besser machen), ruft Obama.
Bittet um vier weitere Jahre, um zu beweisen, was er noch alles tun kann. Doch auf die miserablen neuen Zahlen zur Arbeitslosigkeit geht er nur mit zwei, drei Sätzen ein, wie im Vorbeigehen - als müsse er nicht geradestehen für die Entwicklung. Das ist der schwächste Teil seiner Rede. Die Zuschauer scheinen es zu merken. "Four more years, four more years", skandieren sie.

Glaubt man Obama, ist vor allem das schwere Erbe, das er angetreten hat, schuld an der Misere. Die Politik der Bush-Ära, die Deregulierung der Finanzmärkte, die Blockadepolitik der Republikaner, die so viele positive Ansätze seiner Regierung zunichtegemacht hätten. "We can do better. We want to do more...", ruft er dem Publikum immer wieder zu.

Obama, der vor vier Jahren mit der Visionen eines besseren Amerikas angetreten war, ist schwer in die Defensive geraten. Jeder weiß: Die Wahlen in den USA werden diesmal zu einem Gutteil auf dem Arbeitsmarkt entschieden. Hier liegt Obamas Achillesferse.

Ob er mit der Bitte um vier weitere Jahre die Stimmung wenden kann, ist fraglich. Die Umfragen sagen ein Kopf-an-Kopf-Rennen voraus. Obama selbst versucht sich kämpferisch zu geben - doch er wirkt seltsam matt. Noch will der magische Funke nicht überspringen - doch noch sind vier Monate Zeit.

(dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort