Großes Snowden-Interview in "Wired" "Die NSA arbeitet an automatisiertem Cyberkriegs-Programm"

Washington · Der US-Geheimdienst NSA arbeitet nach Angaben des Whistleblowers Edward Snowden an einem Cyberkriegs-Programm, das ohne menschliches Zutun auf Angriffe reagieren kann.

Edward Snowden: NSA arbeitet an automatisiertem Cyberkriegs-Programm
Foto: ap

In einem Gespräch mit dem US-Magazin "Wired" meinte Snowden, das Programme namens "MonsterMind" (Monstergehirn) könne eines Tages derart weiterentwickelt werden, dass es automatisch zurückschießt.

Wie "Wired" am Mittwoch weiter unter Berufung auf Snowden berichtete, ziele das Programm darauf ab, verdächtige Cyberattacken aufzuspüren und diese daran zu hindern, in den USA Schaden anzurichten.

Snowden bezeichnete das Programm nach Angaben von "Wired" zugleich als eine massive Bedrohung für die Privatsphäre der Amerikaner, da es notwendig wäre, sämtliche Datenkommunikation zu überwachen, die in die USA gelangen. Diese Überwachung gelte "für Jeden, für immer", zitiert "Wired" den früheren NSA-Mitarbeiter Snowden.

Snowden lebt seit seinen ersten Enthüllungen über weltweite Spähprogramme des NSA vor einem Jahr im Asyl in Russland.

Das Motiv für den Geheimnisverrat

Zu seinen Motiven zu den Enthüllungen gefragt, sagte Snowden, dass er zu diesem Entschluss gekommen sei, nachdem er unehrliche Äußerungen des nationalen Geheimdienstkoordinators James Clapper gehört hatte. Clapper habe im März 2013 bei einer Senatsanhörung gesagt, dass der US-Geheimdienst NSA "nicht bewusst" Informationen zu Millionen von US-Bürgern sammele, sagte Snowden in einem Interview.

"Könnt Ihr das fassen?", habe er am nächsten Tag seine Kollegen gefragt, doch seien diese nicht schockiert gewesen. Snowden, der damals für eine Beratungsfirma im Auftrag der NSA arbeitete, habe befürchtet, mit der Zeit immer tiefer in ein "böses" System hineinzugeraten. Er sagte dem "Wired"-Journalisten James Bamford, die Gefahr bestehe darin, dass sich die Mitarbeiter schleichend an Rechtsbrüche, Unehrlichkeit und Täuschung gewöhnten. "Wenn du das tust, wird es zu einer schiefen Bahn", sagte Snowden. Nach 15 oder 25 Jahren "schockiert es dich nicht mehr. Und du siehst es als normal an."

Snowden sagte in dem über mehrere Tage in Moskau geführten Interview, er sei bereits seit Jahren über die NSA-Aktivitäten beunruhigt gewesen. Er habe sich jedoch entschlossen, mit den Enthüllungen zu warten, nachdem Präsident Barack Obama gewählt worden war. Doch habe er mit der Zeit die Hoffnung auf Besserung verloren. Beunruhigt hätten ihn etwa die Bemühungen der NSA, mit einem neuen Datenspeicher im Bundesstaat Utah die Sammlung persönlicher Daten massiv auszuweiten. Zudem habe ihn schockiert, dass die NSA kontrollierte, ob radikale Politiker Pornografie anschauen, um dies dann gegen sie zu verwenden. "Dies ist ähnlich wie das FBI, das Martin Luther Kings Untreue in der Ehe zu benutzen versuchte, um ihn dazu zu bringen, sich das Leben zu nehmen", sagte Snowden mit Blick auf den schwarzen Bürgerrechtler in den 1960er Jahren. "Wir haben gesagt, solche Dinge waren unangebracht in den 60ern. Warum machen wir das heute?"

Snowden hatte im Juni 2013 in Hongkong mit der Enthüllung der Geheimdienstprogramme zur Überwachung der Internet- und Telefonkommunikation weltweit Schlagzeilen gemacht. Später strandete er auf der Flucht auf einem Moskauer Flughafen. Nach mehreren Wochen erhielt er schließlich eine einjährige Aufenthaltserlaubnis in Russland. Da sich kein anderes Land bereiterklärte, den 31-Jährigen aufzunehmen, wurde Anfang August seine Aufenthaltsgenehmigung verlängert.

(dpa)
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