Proteste in der Ukraine Dutzende Verletzte bei Polizeieinsatz gegen Demonstranten

Kiew · In der Ukraine ist der Streit um eine Annäherung an die Europäische Union weiter eskaliert. Die Polizei ging am frühen Samstagmorgen gewaltsam gegen pro-europäische Demonstranten in Kiew vor, die wegen des Scheiterns eines lange geplanten Assoziierungsabkommens mit der EU den Rücktritt von Staatschef Viktor Janukowitsch forderten. Aktivisten zufolge wurden Dutzende Protestteilnehmer verletzt, die Polizei meldete 31 Festnahmen wegen Rowdytums und Widerstands gegen die Ordnungskräfte.

Polizei löst Demonstration in Kiew auf
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Polizei löst Demonstration in Kiew auf

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Etwa tausend Demonstranten waren über Nacht auf dem Unabhängigkeitsplatz geblieben, den hunderte Polizisten umstellten. Gegen 4 Uhr Ortszeit (3 Uhr MEZ) begann die Polizei dann nach Angaben einer Augenzeugin, mit Knüppeln auf die Demonstranten einzuschlagen und sie von dem Platz zu drängen, der bereits zentraler Schauplatz der Orangenen Revolution im Jahr 2004 war.

Die 17-jährige Studentin Maria Tschalich sagte der Nachrichtenagentur AFP, die Demonstranten hätten sich friedlich verhalten und getanzt. Dennoch seien die Polizisten mit großer Härte gegen sie vorgegangen und hätten "unterschiedslos jeden" geschlagen. "Sie schlugen alle - alte Menschen, Mädchen, sogar ein Kind. Sein ganzes Gesicht war blutüberströmt", sagte Tschalich.
Einige Menschen seien in Ohnmacht gefallen.

Der oppositionelle Abgeordnete Andrej Schewtschenko schrieb auf Twitter, die Polizei sei "brutal" gegen die Demonstranten vorgegangen und habe Dutzende Menschen verletzt sowie mehrere Dutzend weitere festgenommen. "Die Ukraine hat so etwas noch nicht erlebt", kommentierte der Oppositionspolitiker den Polizeieinsatz. Laut einer Polizeisprecherin wurden die meisten der gut 30 Festgenommen später wieder freigelassen.

Das oppositionsnahe Nachrichtenportal "Ukrainskaja Prawda" veröffentlichte Fotos von blutüberströmten Demonstranten. Die Organisatoren der Kundgebung richteten vor einer Kirche im Stadtzentrum eine Erste-Hilfe-Station ein.

Der US-Botschafter in Kiew, Geoffrey Pyatt, verurteilte auf Twitter grundsätzlich jede "Gewalt gegen friedliche Demonstranten". Allerdings versuche er selbst noch, sich ein Bild von der Lage zu machen.

Pro-europäische Ukrainer demonstrieren schon seit Tagen gegen den außenpolitischen Kurs von Staatschef Janukowitsch. Nichtsdestotrotz unterzeichnete dieser auf dem EU-Gipfel zur Ostpartnerschaft am Donnerstag und Freitag im litauischen Vilnius nicht das geplante Assoziierungsabkommen mit der EU. Die Entscheidung war vor dem Hintergrund russischer Drohungen mit Handelsstrafen gefallen. "Der Präsident hat das Schicksal und die Zukunft der Ukraine verkauft", urteilte Oppositionsführer Arseni Jazenjuk.

Am Freitagabend versammelten sich zunächst etwa 10.000 Regierungsgegner auf dem Kiewer Unabhängigkeitsplatz. Die Protestteilnehmer riefen Parolen wie "Revolution". Die Aktivistin Ruslana Lyschischko verlas bei der Kundgebung eine Resolution: "Wir fordern Janukowitsch Rücktritt", hieß es darin, und weiter: "Wir erklären, dass wir weiter für eine europäische Ukraine kämpfen." Neben ihr standen die Oppositionsführer Jazenjuk und Vitali Klitschko.

Jazenjuk, der der inhaftierten Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko nahesteht, forderte die Prüfung "eines Verfahrens zur Absetzung des Präsidenten im Parlament und Wahlen vor 2015". Klitschko sprach von "Hochverrat" und versicherte, er werde "alles tun", damit die derzeitige Regierung entmachtet werde. Am Sonntag will die Opposition erneut demonstrieren.

(AFP)
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