Homophobie im Osten Duma will "Schwulenpropaganda" verbieten

Düsseldorf · Im Osten Europas, am äußersten Rand der EU-Wertegemeinschaft, treten alte Tendenzen wieder auf die Tagesordnung: Polen und insbesondere Russland verschärfen ihren Druck auf Schwule und Lesben. Moskau möchte "Schwulenpropaganda" verbieten. Polen hat ein Gesetz zur Gleichstellung abgelehnt.

Übergriff auf Volker Beck
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Foto: AFP

Wenn es nach dem Willen der Staatsduma in der russischen Hauptstadt geht, soll sogar das Reden über Homosexualität verboten werden. 388 Abgeordnete stimmten in der ersten Lesung für den Entwurf, der für öffentliche Äußerungen über Homosexualität Geldstrafen bis zu umgerechnet 12.500 Euro vorsieht. Das meldete die Agentur Itar-Tass am Freitag. Die Duma hat 450 Sitze. Für das Gesetz sind aber zwei weitere Lesungen notwendig.

Gewalt und Diskriminierung gegen Schwule und Lesben sind in Russland Alltag. Mit einem geplanten Verbot von "Schwulenpropaganda" erreichen Repressionen gegen Andersdenkende nach Ansicht deutscher Politiker ein neuen Höhepunkt.

Volker Becks Twitter-Protest

Der Grünen-Politiker Volker Beck beispielsweise forderte von der Bundesregierung einen offiziellen Protest. Über den Kurznachrichtendienst Twitter verkündete er vor wenigen Stunden: "Westerwelle muss russischen Botschafter einbestellen."

In einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa kritisierte Beck weiter, jetzt werde "sogar das Reden über bestimmte Dinge verboten." Ein Skandal, wie der bekennende Homosexuelle findet. Jede Kritik werde im Keim erstickt. "Das ist eine neue Qualität in der Beschneidung demokratischer Rechte." Die Bundesregierung müsse Klartext sprechen.

In einigen Großstädten wie der Touristenmetropole St. Petersburg gilt das Verbot bereits. Experten kritisieren, damit werde auch die Aids-Aufklärung erschwert. Homosexualität ist in Russland nicht verboten; Schwule und Lesben werden aber oft im Alltag diskriminiert sowie Opfer von Angriffen. "Die Staatsmacht nimmt billigend in Kauf, dass Rechtsextreme dem angeblichen Volkszorn gegen Homosexuelle Ausdruck verleihen", sagte der Grünen-Politiker.

Angriff auf Grünen-Politiker

Beck hat Attacken gegen seine Person in der russischen Hauptstadt hautnah miterlebt. Im Jahr 2006 griffen Rechtsradikale und Orthodoxe den deutschen Politiker auf offener Straße während einer Demonstration für eine Petition zur Versammlungsfreiheit an. Beck wurde verletzt und von der Polizei vorläufig festgenommen — zum eigenen Schutz, wie es damals hieß.

Angesichts des harten Vorgehens des Kreml gegen Regierungskritiker verlangte Beck, dass Asylanträge von Russen in der Europäischen Union wohlwollend geprüft werden müssten. "Der Selbstmord des Oppositionellen Alexander Dolmatow in niederländischer Abschiebehaft (vor gut einer Woche) hat gezeigt, dass die Menschen in Russland nackte Angst haben."

Kaum Interesse in Polens Parlament

Für Polens Homosexuelle ist es ein schwarzer Tag: Das Parlament hat am Freitag die Einführung homosexueller Lebenspartnerschaften abgelehnt. Zwei Gesetzesentwürfe, die von den oppositionellen Sozialdemokraten und der anti-klerikalen Bewegung Palikot eingebracht worden waren, wurden bei der Abstimmung im Sejm mit großer Mehrheit abgewiesen.

Erstmals hatte das Parlament in Warschau über ein Gesetz debattiert, mit denen Partnerschaften für Homosexuelle geregelt werden sollen. Bereits im Vorfeld hatte die Abgeordneten die Debatte nicht sonderlich interessiert. Sie blieben der ersten Lesung fern — auf den Bänken herrschte gähnende Leere.

Ministerpräsident Donald Tusk wollte mit einem Partnerschaftsgesetz ein Wahlkampfversprechen einlösen. Tusk fehlte bei der ersten Debatte - er musste mit einer fiebrigen Erkältung ins Krankenhaus. "Ich hoffe, dass alle Projekte in die Ausschüsse gelangen", twitterte er aus der Klinik.

Ablehnung von Nationalkonservativen

Das Gesetz stelle Partnerschaften nicht mit der Ehe gleich, sagte der PO-Politiker Artur Dunin mit Blick auf den konservativen Parteiflügel, der dem Partnerschaftsgesetz die Zustimmung verweigern will.

Das sah die nationalkonservative Opposition ganz anders. Eine Diskussion über ein Partnerschaftsgesetz lenke nur von "richtigen Problemen ab", sagte Krystyna Pawlowkicz von der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS).

"Es liegt nicht im gesellschaftlichen Interesse, die Erfüllung egoistischer Wünsche zu ermöglichen. Schade um die Zeit." Der Abgeordnete Tadeusz Wozniak von der Rechtspartei Solidarisches Polen (SP) nannte homosexuelle Beziehungen "unnatürlich".

(nbe)
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