Afghanistan: Abdullah fordert Stichwahl Druck auf Karsai wächst

Washington (RPO). Nachdem rund ein Viertel aller Stimmzettel der Präsidentschaftswahl in Afghanistan für ungültig erklärt worden sind, hat sich der Druck auf Amtsinhaber Hamid Karsai am Dienstag verstärkt. US-Außenministerin Hillary Clinton sagte, sie rechne damit, dass Karsai am Dienstag eine Erklärung über sein weiteres Vorgehen abgeben werde. Sein Herausforderer Abdullah Abdullah forderte eine zweite Wahlrunde.

 Karsai-Herausforderer Abdullah Abdullah fordert Neuwahlen.

Karsai-Herausforderer Abdullah Abdullah fordert Neuwahlen.

Foto: AP, AP

Clinton zeigte sich in Washington am Montag zuversichtlich, dass in den kommenden Tagen eine "Lösung im Einklang mit der Verfassung" gefunden werden könne. Karsai werde seine Pläne bekanntgeben. Sie sei ermutigt von der Entwickung, die die Angelegenheit nehme.

Abdullah fordert Stichwahl

Eine Stichwahl werde das Vertrauen des Volkes wiederherstellen, sagte Abdullah dem US-Radiosender NPR. "Das Volk wird sehen: Ja, es hat Manipulationen gegeben, aber sie sind nun korrigiert worden." Bei der ersten Wahlrunde im August sei die Beteiligung auch deshalb so niedrig gewesen, "weil die Leute dem System misstraut haben".

In vorab veröffentlichten Auszügen eines Interviews mit CNN sagte Abdullah, er sei bereit für eine Stichwahl. Zugleich sei die Tür offen für andere Optionen. Ob dies bedeute, dass er sich an einer Regierung der nationalen Einheit beteiligen würde, wollte er nicht sagen.

Ergebnisse aus 210 Wahllokale ungültig

Die Wahlbeschwerdekommission (ECC) hatte zuvor die Auszählungsergebnisse in 210 Wahllokalen für ungültig erklärt. Bei der Untersuchung der Betrugsvorwürfe seien "eindeutige und überzeugende Beweise für Betrug" in den Wahllokalen entdeckt worden, erklärte die ECC bei der Veröffentlichung ihres mit Spannung erwarteten Berichts in Kabul. Als Beweise nannte die ECC Wahllokale, in denen alle Stimmzettel mit dem selben Stift ausgefüllt worden seien oder die gleichen Markierungen aufgewiesen hätten.

Nach Angaben der US-Organisation Democracy International wurden insgesamt 1,3 Millionen Stimmen beanstandet. Wie US-Wahlbeobachter mitteilten, könnte Karsai nach dem Abzug gefälschter Stimmen auf nur noch 48 Prozent kommen und damit die absolute Mehrheit verfehlen.

Karsai äußerte sich zunächst nicht zu dem Bericht der Wahlbeschwerdekommission. In einem Telefonat mit UN-Generalsekretär Ban Ki Moon versicherte er jedoch, dass er die "verfassungsmäßige Ordnung" beachten werde, wie Bans Sprecherin Michèle Montas in New York mitteilte. Sie forderte die unabhängige Wahlkommission (IEC) in Afghanistan auf, die Ergebnisse der Beschwerdekommission zu berücksichtigen. Die UNO sei bereit, bei der Organisation eines zweiten Wahlgangs zu helfen.

Bis zu drei Millionen Stimmen ungültig

Wie der frühere stellvertretende UN-Sondergesandte für Afghanistan, Peter Galbraith, sagte, könnte das Ausmaß der Wahlmanipulationen sogar noch größer sein. Bei einer vollständigen Neuauszählung aller Stimmen hätten bis zu drei Millionen Stimmen für ungültig erklärt werden müssen, sagte Galbraith der Nachrichtenagentur AFP. Der Stellvertreter des UN-Gesandten Kai Eide war Ende September entlassen worden. Galbraith hatte zuvor öffentlich von weitreichendem Wahlbetrug gesprochen und seinem Vorgesetzten vorgeworfen, Informationen darüber bewusst zurückgehalten zu haben.

US-Verteidigungsminister Robert Gates sagte, US-Präsident Barack Obama könne mit seiner Entscheidung über eine mögliche Truppenverstärkung in Afghanistan nicht bis zur Bekanntgabe des endgültigen Wahlergebnisses warten. "Wir werden nicht tatenlos zusehen, bis das Wahlergebnis bekannt ist und eine Regierung in Kabul steht", sagte Gates.

(AFP/csi)
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