Gastbeitrag von Peter Beyer Die Bundesregierung drückt sich vor einer klaren Haltung zum Iran

Meinung · Die Islamische Republik zeigt bei Drohnen, im Kopftuch-Streit und im Jemen-Krieg ihr wahres Gesicht. Ein Test für die „wertegebundene“ deutsche Außenpolitik.

Frauen nehmen in Genf an einer Demonstration nach dem Tod von Mahsa Amini teil. Die 22-jährige Frau wurde von der iranischen Sittenpolizei in der Hauptstadt Teheran festgenommen, weil sie sich angeblich nicht an die strenge islamische Kleiderordnung des Irans gehalten hatte. Sie starb in Polizeigewahrsam.

Frauen nehmen in Genf an einer Demonstration nach dem Tod von Mahsa Amini teil. Die 22-jährige Frau wurde von der iranischen Sittenpolizei in der Hauptstadt Teheran festgenommen, weil sie sich angeblich nicht an die strenge islamische Kleiderordnung des Irans gehalten hatte. Sie starb in Polizeigewahrsam.

Foto: dpa/Salvatore Di Nolfi

Allen Mullah-Regimes gemeinsam war und ist der Hass auf den „Feind im Westen“, insbesondere die Vereinigten Staaten von Amerika. Auch deshalb ist Iran-Politik für uns immer ein wichtiges Element transatlantischer Politik. Dieser Aspekt ist aktueller denn je, betrachtet man die Entwicklungen im Iran der vergangenen Wochen und Monate.

Da sind zunächst die wenig erquicklich verlaufenden Verhandlungen für ein neues Nuklearabkommen (JCPoA), die erforderlich wurden, nachdem Präsident Trump im Mai 2018 einseitig aus dem Vertrag ausgestiegen war. Ein Fehler, der sich nun bitter rächt. Teheran hat die Verhandlungen immer wieder absichtlich verschleppt, Mistrauen geschürt und skrupellos seine Fähigkeit zum Anreichern nuklearwaffenfähigen Materials ausgebaut. Heute sind die Mullahs beinahe am Ziel, Atommacht zu werden. Das gilt es, aus Interesse an Frieden und Stabilität in der Welt, unbedingt zu verhindern.

Von trauriger Aktualität zeigen sich die jüngsten Entwicklungen bei Protesten mutiger Iranerinnen und Iraner, vor allem von Studierenden. Mahsa Amini (22) ist im Gewahrsam der iranischen Sittenpolizei ums Leben gekommen. Der Grund für ihre Festnahme: Angeblich unpassendes Tragen des Hijab, des vorgeschriebenen Kopftuchs für Frauen. Die Studierenden der Sharif Universität wurden bei Protesten in ihrer Universitätsbibliothek von Sicherheitskräften belagert und verschleppt. Von vielen fehlt jede Spur. Sarina Ismailzadeh (16) wurde bei Protesten von der Polizei niedergeknüppelt und auf der Straße zu Tode geschlagen. Nika Shakarami (15) wurde bei den Protesten verhaftet und anschließend zum Tode verurteilt. Vor der Vollstreckung des Urteils wurde sie durch einen örtlichen Behördenchef vergewaltigt.

All dies sind keine Einzelschicksale, sondern Beispiele dafür, wie das Regime in Teheran Frauenrechte im Speziellen, universell geltende Menschenrechte im Allgemeinen seit Jahrzehnten mit Füßen tritt. Die Unterdrückung von Frauen unter radikal ausgelegten religiösen Regeln ist an der Tagesordnung. Das Leid dieser Frauen und der Zivilbevölkerung insgesamt gehen uns etwas an. Menschenrechte enden nicht an Länder- oder Regionsgrenzen, sondern sind universell gültig - unabhängig von Nationalität, Religion und Geschlecht. Sie sind im Menschsein verhaftet. Wir dürfen der Propaganda nicht in die Falle gehen, Frauen- und Menschrechte seien „westliche“ Erfindungen, dekadent und missachteten bestimmte religiöse Überzeugungen.

Der Iran beeinflusst aber noch ganz andere Bereiche unserer eigenen Sicherheitsinteressen: Der fast vergessene Krieg im Jemen war vor wenigen Tagen kurz wieder Thema in unseren Nachrichten. Grund dafür war, dass der Waffenstillstand trotz Vermittlung seitens der Vereinten Nationen nicht verlängert wird. Der Iran unterstützt die Houthi-Rebellen im Jemen, nicht nur ideologisch, sondern vor allem mit Waffen und Geld. Die Houthis gehen äußerst brutal vor. Heute sind ganze Landstriche im Jemen durch sie vermint, Bombenanschläge auf Märkte, Schulen und Brunnen sind an der Tagesordnung. Der Einsatz von Folter, Mord, Vergewaltigung und Verstümmelung durch die Rebellen kennt keine Grenzen. Ziel dieser Gräueltaten sind immer wieder Frauen und Kinder. Dennoch bezeichnet Amnesty International den Jemen-Krieg als den „vergessensten Krieg der Welt“. Gerade Deutschland sollte sich gegen dieses Vergessen einsetzen und sich dafür stark machen, die Houthis offiziell auf die Liste der Terrororganisationen zu setzen. Sollten eklatante Menschenrechtsverletzungen für Berlin hierfür nicht Anreiz genug sein, so sollten zumindest eigene Sicherheitsinteressen die Regierung zu diesem Schritt animieren. Denn in der Vergangenheit verübten die Houthis auch mehrfach Anschläge auf zivile Einrichtungen der Energieinfrastruktur. Dies verschärft die angespannte Versorgungslage bei Öl und Gas nochmals. Weitere solche Anschläge wurden nach dem Scheitern der Verlängerung des Waffenstillstands bereits durch den Sprecher der sogenannten Rebellen angekündigt.

Der toxische Mix iranischer Einflussnahme unter Inanspruchnahme terroristischer Methoden wird komplettiert durch Cyber-Angriffe auf europäische Staaten, zuletzt Anfang September auf das Nato-Mitglied Albanien. Hier zeigt sich einmal mehr, dass wir die Bedrohung, die Fähigkeiten und die Skrupellosigkeit Teherans gar nicht ernst genug nehmen können.

Bleibt die Frage, welchen strategischen Ansatz die deutsche Bundesregierung angesichts dieser pluralen Bedrohung durch den Iran verfolgt. Bei ihrer Amtsübernahme hatte Außenministerin Baerbock noch eine „feministische Außenpolitik“ angekündigt. Nun scheint die Regierung die direkte Kritik am Regime in Teheran zu scheuen und verweist auf begrenzte außenpolitische Möglichkeiten. Um sich nicht gänzlich von den eigenen Werten in der deutschen Außenpolitik zu verabschieden, wäre es für Berlin dann aber das Mindeste, einen ersten Schritt zu wagen und die Iran-Verbündeten im Jemen, die Houthis, auf die Terrorliste zu setzen. Ich fordere zudem von der Bundesregierung, die seinerzeit aufgehobenen Sanktionen gegen den Iran vollständig wiedereinzusetzen und das Umgehungsinstrument Instex, das immer schon problematisch war, sofort einzustampfen. Darüber hinaus sind umgehend alle Verhandlungen mit dem Mullah-Regime auszusetzen, einschließlich der zum jetzigen Zeitpunkt sinnlosen Verhandlungen über ein Nachfolgeabkommen des Wiener Nuklearabkommens (JCPoA). Iran hat mit der Lieferung von Kampfdrohnen an Russland gegen die UN-Resolution 2231 verstoßen. Das wirft - leider - ein Schlaglicht auf die deutsche Bundesregierung, die im August angekündigt hatte, Drohnenabwehrsysteme an die Ukraine zu liefern und bis heute säumig geblieben ist. Die Lieferung muss sofort erfolgen. Meine Forderungen können rasch umgesetzt werden, zusätzlich komplettiere ich dies mit der Forderung nach der Schließung des „Islamischen Zentrums“ in Hamburg, das von den Machthabern als Drehscheibe seiner Operationen in Deutschland genutzt wird. Berlin soll sich mit höchster Priorität im UN-Menschenrechtsrat dafür einsetzen, Iran wegen massenhafter Menschenrechtsverletzungen zu verurteilen.

Abstimmung und Koordinierung mit unseren Verbündeten ist verpflichtend, darf aber keinesfalls als Ausrede für Scheu vor eigenem politischem Handeln missbraucht werden. Die Opfer des iranischen Regimes und seiner fanatischen Handlanger im Jemen und anderswo benötigen und verdienen unsere moralische Unterstützung. Auch deshalb ist es überfällig, dass Deutschland endlich seinem eigenen politischen Führungsanspruch gerecht wird.

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