Zwei Jahre im Amt Die große Half-Time-Show des Donald Trump - eine Bilanz

Halbzeit. Am Sonntag ist es zwei Jahre her, dass der Präsident Donald Trump auf dem Westbalkon des Kapitols einen Eid ablegte und in einer düsteren Antrittsrede von der amerikanischen Verwüstung sprach, die seine Vorgänger hinterlassen hätten.

Hinterher behauptete er, die Zuschauerzahl auf der National Mall in Washington habe alle Rekorde bei Amtseinführungen amerikanischer Präsidenten gebrochen, was sich bekanntlich schon bei flüchtigem Studium der Luftaufnahmen der Mall als Unsinn entpuppte. Damals glaubten Optimisten, Würde und Bürde des Amts würden Trump mit der Zeit zur Mäßigung bringen, zum Verzicht auf „alternative Fakten“. 24 Monate später ist klar: So nonchalant und systematisch wie er hat noch nie ein US-Präsident die Wahrheit verbogen.

„Fahrt mal langsamer Leute“

Neulich, um ein vergleichsweise harmloses Beispiel zu nennen, war er in New Orleans, wo er zu Farmern sprach. Da sitze er nun in dieser tollen Limousine, das Biest genannt, da sitze er also im teuersten Auto der Welt, sagte er, und versuche die Preisschilder der Tankstellen zu lesen. „Ich sage, fahrt mal langsamer, Leute. Ich kann nichts erkennen. Und dann sehe ich, eine Gallone kostet 1,75 Dollar. Das ist nicht durch Zufall passiert, Leute. Glaubt ihr, Hillary Clinton hätte das hinbekommen?“

Typisch Trump: Im Oktober, Benzin war teurer geworden, nicht zuletzt wegen der Aussicht auf schärfere Wirtschaftssanktionen gegen Iran, waren andere schuld. Im Januar, als die Spritpreise wieder deutlich niedriger lagen, kehrte er schnell zurück in den Modus, sich jeden Erfolg selbst zuzuschreiben. Ähnlich verhielt es sich mit den Börsenkursen.

Schon die Ankündigung massiver Steuersenkungen trug wesentlich dazu bei, ein Kursfeuerwerk an der Wall Street zu zünden, und Trump konnte sich gar nicht oft genug damit brüsten. Später drückten Zollschranken und die Aussicht auf Handelskriege auf die Stimmung. Nun prahlte der Präsident nicht mehr, nun machte er Jerome Powell, dem Chef der amerikanischen Notenbank mit ihrer Serie von Zinserhöhungen, verantwortlich für flauere Zeiten. Der mache einen Fehler, „ich habe da ein Bauchgefühl, und das sagt mir manchmal mehr, als das Hirn von irgendjemandem mir erzählen kann“.

Trump rückt sich selber ins rechte Licht

Sich selber ins rechte Licht rücken, anderen den schwarzen Peter zuschieben, sie niedermachen, wenn sie widersprechen, auch schon aus nichtigem Anlass: Das Getöse hat Methode, führt es doch dazu, dass sich alles immer nur um Trump dreht. Als wäre es eine Seifenoper mit wochentäglichen Fortsetzungen, während die Substanz seines Handelns viel zu kurz kommt.

Die Substanz also. Bislang hatte er Glück, der Seiteneinsteiger, der im Alter von 70 Jahren erstmals in ein öffentliches Amt gewählt wurde. Weder wurden die USA in einen neuen Krieg verwickelt, noch hatten sie einen schweren Terroranschlag zu erleiden. Die Wirtschaft ist nicht in die Rezession geschlittert, die Arbeitslosigkeit ist auf historisch niedrige 3,9 Prozent gesunken, der Wegfall von Auflagen steigert Trumps Popularität in der Unternehmenswelt. Noch brummt der Motor, auch wenn der Aufschwung an Kraft verlieren könnte. Im Übrigen hat der Präsident Ergebnisse vorzuweisen, die ihm selbst Kritiker in weniger aufgeladener Atmosphäre positiv anrechnen würden.

Trump polarisiert - und wie

Kurz vor Weihnachten setzte er seine Unterschrift unter das Gesetz einer Reform des Strafrechts, das bei aller gebotenen Skepsis für den Beginn einer Trendwende steht: weg von bisweilen bizarr drakonischen Strafen, die die Zahl der Gefängnisinsassen auf über zwei Millionen anschwellen ließen. Versucht Trump, die Schieflage im Handel mit China zu korrigieren, kann er sich auf die stillschweigende Unterstützung etlicher Demokraten verlassen, die eine Korrektur gleichfalls für überfällig halten.

Doch er polarisiert derart gründlich, dass sich kaum einer aus den Reihen der Opposition aus dem Fenster lehnt, um ihn dafür zu loben. Nüchternes Bilanzieren ist im öffentlichen Diskurs auf der Strecke geblieben. Während seine Gegner nichts als eine endlose Kette von Fehlleistungen sehen, hat er in den Augen seiner Anhänger alles richtig gemacht. Die Trump-Show kennt nur Gewinner und Verlierer, als wäre das Weiße Haus eine Bühne wie einst die Kulisse der Reality-Serie „The Apprentice“. Donald Trump, der sich schon immer nach Aufmerksamkeit sehnte, schon als Firmenerbe seines Vaters Fred, genießt es, nunmehr die ganze Welt in Bann zu halten.

Und weil sich alles nur um ihn dreht, mag dies Europäer zu der Annahme verleiten, dem „Ausrutscher Trump“ werde unter dessen Nachfolger (oder Nachfolgerin) die baldige Rückkehr zur „Normalität“ folgen. Eine Illusion. „Was immer das Gros der Amerikaner an Verständnis für die globale Rolle der Vereinigten Staaten nach dem Zweiten Weltkrieg aufbrachte, begann mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion nachzulassen, bis es mit den Kriegen im Irak und in Afghanistan und der Finanzkrise endgültig zerbrach“, schrieben Antony Blinken und Robert Kagan vor wenigen Tagen in einem Essay für die „Washington Post“.

Bemerkenswert ist, dass sich zwei Vertreter so unterschiedlicher Denkschulen in diesem Punkt einig sind. Blinken zählte zum engeren Kreis der strikt realpolitisch gesinnten Berater um den Präsidenten Obama, Kagan war einer der Vordenker der Neokonservativen, der Provokateur mit der These, nach der Amerikaner vom Mars kommen und Europäer von der Venus. „Wer auch immer 2020 die Wahl gewinnt”, prophezeien beide, “wird es schwer haben, sich einem Trend zu widersetzen, den es schon vor Trump gab und der Trump wahrscheinlich überleben wird“.

Nur: Trumpsche Politik wird eben nicht als Rückzug in die weltpolitische Bescheidenheit wahrgenommen, was sie in der Sache ja durchaus ist, sondern als das genaue Gegenteil. Als ununterbrochene Konfrontation mit dem Rest der Welt. Falls es so etwas wie eine Trump-Doktrin gibt, scheint sie im ständigen Wandeln am Abgrund zu bestehen.

Jim VandeHei, Gründer von Axios, einer für Washington-Insider unverzichtbaren Online-Plattform, spricht vom permanenten Ausreizen von Grenzen. Trump neige dazu, wilde Ideen in die Debatte zu werfen und sie hartnäckig zu wiederholen, ehe er, besonders bei Gegenwehr, entweder von selbst zur Vernunft komme oder von anderen überredet werde, „nicht zu springen“. Den Iran bombardieren, Nordkorea mit Feuer und Zorn überziehen, aus der Nato austreten, die Welthandelsorganisation WTO verlassen oder Robert Mueller feuern, den Sonderermittler der Russlandakte: Es sind nur einige Beispiele für die rhetorische Brechstange eines Mannes, der sich seiner Basis als eine Art Sprengsatz im Gebäude herkömmlicher Politik verkauft hat – und nun eisern daran festhält.

Er sei stolz, wenn er die Regierung wegen der Grenzsicherheit schließe, polterte er vor Wochen im Wortgefecht mit Chuck Schumer, der Nummer eins der Demokraten im Senat. Nun, da der Shutdown in die sechste Woche geht, hat er Mühe, wieder herunterzuklettern von der Palme der Maximalposition.

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