Nord Stream, Iran, Konjunktur Wo Donald Trump einfach recht haben könnte

Meinung | Düsseldorf · Seine Rhetorik verstört, seine Hetze gegen Medien und Andersdenkende untergräbt die demokratische Kultur. Und doch könnte es sein, dass der europäische Widerstand gegen Donald Trump ungerechtfertigt ist - zumindest teilweise.

 Donald Trump (beim Einsteigen in den Präsidentenhubschrauber „Marine One“, im Januar 2018).

Donald Trump (beim Einsteigen in den Präsidentenhubschrauber „Marine One“, im Januar 2018).

Foto: AP/Carolyn Kaster

Stellen Sie sich vor, im Weißen Haus säße eine kluge und charmante Frau. Ruhig im Ton, gelassen im Stil, empathisch. Zielstrebig, aber konsensorientiert. Und nun würde diese Frau eine knallharte „America first“-Politik umsetzen, autokratisch regierte Staaten mit militärischer Härte und wirtschaftlichen Sanktionen begegnen, Diktatoren mittels Aufwertung zu einem Stopp ihrer Atomwaffentests bringen und die antisemitische Staatsdoktrin in einigen Nahost-Staaten mit rüder Rhetorik und symbolischen Entscheidungen brandmarken. Und dazu noch die heimische Wirtschaft ankurbeln. Würden wir die Politik einer solchen Präsidentin anders bewerten als die Donald Trumps? Es ist nur ein Gedankenspiel. Aber der Widerstand in Europa gegen den US-Präsidenten ist wohl auch deshalb so intensiv, weil der machohafte Auftritt, die mitunter hetzerische Rhetorik und die narzisstische Art Trumps so abstoßend sind. Und doch könnte seine Politik – zumindest teilweise – richtig sein. Möglich?

  • Nord Stream 2 Die Pipeline soll russisches Erdgas durch die Ostsee nach Deutschland liefern. 2011 wurde der erste Teil in Betrieb genommen, der zweite ist vor der Fertigstellung. Bis zu 55 Milliarden Kubikmeter Gas sollen transportiert werden, der Bedarf von mehr als 26 Millionen europäischen Haushalten. Ein Prestigeprojekt für Russlands Staatschef Wladimir Putin, das Staatsunternehmen Gazprom hält 51 Prozent an dem Nord-Stream-Konsortium. Kanzlerin Merkel unterstützt das Projekt. Die USA lehnen einen stärkeren Einfluss Russlands in der EU ab. Unlängst hatte der US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, deutschen Firmen mit Sanktionen gedroht, die im Zusammenhang mit der Pipeline Geschäfte machen. Es stimmt: Die USA wollen ihr eigenes Flüssiggas (LNG) nach Europa verkaufen. Aber eine stärkere Abhängigkeit von Russland sehen auch europäische Länder kritisch. Die baltischen Staaten, Slowakei und Polen, sehen ihre Sicherheit bedroht. Die Ukraine fürchtet, dass künftig kaum noch russisches Gas durch ihr Land fließt, und ihr Energie und Einnahmen fehlen. Nun werden auch bei Deutschlands engstem Partner, Frankreich, Zweifel an dem Projekt öffentlich. Das wäre für die Kanzlerin blamabel, immerhin stand Präsident Emmanuel Macron bisher bei allen wichtigen EU-Entscheidungen an ihrer Seite. Der Chef des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Rötten (CDU), versteht die Bedenken Frankreichs. Es sei „richtig, das Gut der europäischen Einheit und Handlungsfähigkeit über die Solidarität mit Deutschland zu stellen", sagte Röttgen dem „Tagesspiegel".
  • Nordkorea Donald Trump will sich zum zweiten Mal mit Nordkoreas Diktator Kim Jong Un treffen. In seiner Kongress-Rede hatte sich Trump damit gebrüstet, dass seine Korea-Politik einen Krieg verhindert habe. Das dürfte übertrieben sein. Aber friedlicher ist es schon. Tatsächlich hatte Nordkorea während der letzten Obama-Jahre mit Atomwaffentests die Region provoziert und selbst enge Verbündete wie China überrascht. Die „Entspannungspolitik“ Südkoreas trug keine Früchte. Trumps bilaterale Gespräche haben nun immerhin zu Verhandlungen über eine Denuklearisierung geführt. Die koreanische Halbinsel sei nicht mehr „am Rande eines Krieges“ schreibt das Außenpolitik-Fachblatt „Foreign Policy“ in einer Analyse. Trump habe einen „neuen Ton“ gesetzt, dieser könne in ernsthafte Schritte zu einem dauerhaft friedlichen Dialog führen.
  • Iran-Abkommen Das Atomabkommen war 2015 zwischen dem Iran und den USA, Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Russland und China geschlossen worden. Der frühere Außenminister Frank-Walter Steinmeier sprach von einem „historischen Erfolg der Diplomatie“. Das Regime in Teheran verpflichtet sich darin, seine Urananreicherung herunterzufahren und verschärfte Kontrollen zuzulassen. Im Gegenzug wurden Sanktionen aufgehoben. Tatsache ist, dass militärische Anlagen, die der Iran als militärisch deklariert, für Inspektoren weiterhin nicht zugänglich sind. Zugleich hat der Iran die frischen Devisen durch die wirtschaftliche Öffnung zumindest teilweise in seine Truppen investiert, die in Syrien und im Jemen die kriegerischen Konflikte am Laufen halten. „Das Geld floss aus Teheran ins iranische Militär, zu den iranischen Milizionären, in die Eskalation der regionalen Kriegsabenteuer", sagt der Münchner Historiker und Publizist Michael Wolfssohn. Und wenn Angela Merkel ihr Credo ernst meint, dass die Sicherheit Israels deutsche Staatsräson ist, hätte sie dem Abkommen kaum zustimmen können. Das Ziel der Mullahs, die Auslöschung Israels, gilt in Teheran weiterhin. Donald Trump sieht alleine die militärischen Beteiligungen im Nahen Osten als geistigen Verstoß gegen den Vertrag und hat ihn deshalb gekündigt. Er will den Iran mit Sanktionen in die Knie zwingen. „Trump hat die Blütenträume der Europäer entzaubert und aus dem Offensichtlichen – der Tatsache, dass der Atomdeal nicht zu mehr Frieden, sondern zu mehr Krieg in der Region geführt hat – seine Schlüsse gezogen“, sagt der Politikwissenschaftler, Autor und Iran-Experte Matthias Küntzel. Es sind Einzelmeinungen in der deutschen Öffentlichkeit, aber sind sie deswegen unsinnig?
  • Konjunktur Trumps radikal-liberale Wirtschaftspolitik haben der Wirtschaft im Land einen spürbaren Stimulus gegeben. Im Schnitt wuchs die US-Wirtschaft laut US-Finanzministerium seit Anfang 2017 in sieben aufeinanderfolgenden Quartalen um 2,8 Prozent. Und damit einen Prozent mehr als im Gesamtzeitraum von 2000 bis 2016. Zwar wächst die chinesische oder indische Wirtschaft noch schneller, aber in der Rangliste der OECD-Industriestaaten kann sich der US-Boom sehen lassen. Hinzu kommt: Nach Angaben des US-Büro für Arbeitsstatistik sind seit Trumps Amtsantritt 4,9 Millionen neue Jobs entstanden, darunter 450.000 Arbeitsplätze in der Industrie, der Kernzielgruppe Trumps. Das ist kein historischer Rekord, wie sich Trump in seiner Rede brüstete, aber seit den 1990er Jahren hat es einen solchen Aufwuchs nicht gegeben. Eine Ursache laut Experten: der Bürokratieabbau und die Steuersenkungen, etwa die Absenkung der Körperschaftsteuer von 35 auf 20 Prozent. Harald Uhlig, in Bonn geborener Ökonom an der Universität Chicago, empfiehlt der deutschen Bundesregierung eine ähnliche Reform.

Fazit: Es fällt schwer, in Donald Trump einen lupenreinen Demokraten zu sehen. Seine Ausfälle gegenüber der freien Presse („fake news“) und sein entspanntes Verhältnis zur Wahrheit sind eine Bürde. Und doch kann es sein, dass dieser Präsident Recht hat mit seiner Politik - in einigen Feldern zumindest.

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