Weckruf für die EZB und Berlin Die Wirtschaft braucht ein offenes Frankreich

Meinung | Paris · Die Wähler haben Europa vor einer Rechtsextremen im Elysée bewahrt. Sonst hätte Frankreichs Austritt aus der Nato und die Abkehr von der EU gedroht. Europas Wirtschaft hätte einpacken können. Doch die vielen Stimmen für Le Pen sind auch ein Weckruf an EZB und Berlin.

 Macron und Scholz Anfang April.

Macron und Scholz Anfang April.

Foto: AFP/LUDOVIC MARIN

Die Wirtschaft in Frankreich und Deutschland atmet auf: Die Franzosen haben Europa vor einer rechtsextremen Präsidentin im Elysée bewahrt und dem Pro-Europäer Macron eine zweite Amtszeit gewährt. So bleibt Europa eine Zerreißprobe erspart: Unter Le Pen hätte der Austritt Frankreichs aus der Nato gedroht – unvorstellbar in Zeiten des Krieges, in denen wir mehr, nicht weniger Europa gegen den Aggressor Russland brauchen. Unter Le Pen hätte es eine Abkehr Frankreichs von der Europäischen Union gegeben. Nicht auszudenken, wenn das zweitgrößte Land dem Friedensprojekt und der gemeinsamen Währung den Rücken gekehrt hätte. Europa könnte einpacken.

Gegen die Weltmacht China und ihren giftigen Staatskapitalismus ist Europa schon jetzt klein, ohne  Frankreich würde es zum Zwerg. Dem deutsch-französischen Motor hätte der Totalschaden gedroht: Attacken gegen Deutschlands angebliche „Diktatur in Europa“ ritt Le Pen besonders gerne. Dabei sind Deutschland und Frankreich jeweils die wichtigsten Handelspartner.

41 Prozent der Stimmen für die Rechtsextreme sind gleichwohl ein Weckruf: Früh hatte Le Pen die Sicherung der Kaufkraft zum Wahlkampf-Thema gemacht. Die Angst vor Inflation umtreibt viele Menschen in Europa, und man fragt sich, wie lange die Europäische Zentralbank (EZB) eigentlich noch warten will, bis sie mit einer Zinserhöhung den Kampf gegen die Geldentwertung aufnimmt. Das wäre nicht nur politisch sinnvoll (was der EZB egal sein muss), sondern auch geldpolitisch zwingend.

Ebenso verfangen Le Pens Reden gegen Zuwanderung und gegen ein höheres Rentenalter, was die Wirtschaft in Frankreich wie Deutschland aber beides braucht. Zum Umgang mit der Zuwanderung gehört auch eine kluge, gemeinsame Flüchtlingspolitik in der EU.

Für Macron beginnt nun der schwere Teil seiner Präsidentschaft. Die EU-Institutionen wie die deutsche Regierung sind gut beraten, ihn dieses Mal mehr zu unterstützen. Dass er 2017 auf seine große Europa-Rede vor der Sorbonne von Angela Merkel lange nur großes Schweigen erntete, darf sich nicht wiederholen. Bonne chance!

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort