Kommentar Die Welt verliert eine moralische Autorität

Mit Nelson Mandela hat die Welt einen großen Menschen verloren, den vielleicht größten Politiker seiner Generation. Mandela steht für den friedlichen Übergang seines Landes von der Rassentrennung zur Demokratie.

Reaktionen zum Tod Nelson Mandelas
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Foto: dpa, Jagadeesh Nv

Aber das allein macht nicht die Faszination dieses Mannes aus. Es ist Mandelas beispielhafter Lebensweg, der ihm so viel Bewunderung eingetragen hat, weit über seine südafrikanische Heimat hinaus. Als junger, zorniger Freiheitskämpfer stellte er sich gegen das weiße Apartheid-Regime, zutiefst überzeugt davon, dass sich die Verhältnisse nur mit Waffengewalt ändern ließen. Er organisierte den militärischen Widerstand, plante Anschläge. Dafür landete er im berüchtigten Gefängnis Robben Island. Doch als er 27 Jahre später seinen Kerker endlich verlassen konnte, war er nicht auf Vergeltung aus. Nein, Mandela predigte Versöhnung, auch gegen den teils erbitterten Widerstand in den eigenen Reihen. Er bewies die Größe, den Vertretern des verhassten Apartheid-Regimes die Hand zu reichen. Aus dem wütenden Revolutionär war ein weiser Politiker geworden. Er hatte begriffen, dass Respekt, Großzügigkeit und Vertrauen in der politischen Auseinandersetzung schärfere Waffen sein können als Aggressivität und Gewalt.

Nur Mandela hatte die nötige moralische Autorität, diesen friedlichen Weg der Aussöhnung zwischen Schwarzen und Weißen durchzusetzen. Und er hatte das Glück, in seinem weißen Vorgänger im Präsidentenamt, Frederik de Klerk, einen Partner zu finden, der den politischen Mut bewies, die historische Wende gemeinsam mit ihm zu vollziehen. Die beiden Männer haben Südafrika dadurch vermutlich einen blutigen Bürgerkrieg erspart, wie er viele andere Länder des Kontinents nach dem Ende der Kolonial-Ära zerriss. Für die Welt wurde Mandela spätestens damals zu einem Symbol der Hoffnung und des Optimismus. Der freundlich lächelnde ältere Herr in den knallbunten Batik-Hemden war das lebende Beispiel dafür, dass sich selbst schlimmste Missstände — und mehr noch: der Hass — ohne Gewalt überwinden lassen. Freilich, und das ist die weniger schöne Erkenntnis aus Nelson Mandelas Leben: Die Welt hat viel zu wenige Menschen dieses Kalibers. Mandelas Nachfolger zeigten sich dem großen Vorbild nicht gewachsen. In Südafrika ist der Traum von der vielfältigen, aber geeinten Regenbogennation für viele heute nur noch eine schöne Erinnerung. Misswirtschaft, Machtmissbrauch und soziale Ungerechtigkeit trüben das Bild. Trotzdem, das neue Südafrika bleibt ein Beispiel für die Welt — und Mandelas Vermächtnis.

(RP)
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