Straßenschlachten wegen Flaggen-Streit Die Vergangenheit holt Belfast ein

Belfast · Eine Krawallnacht nach der anderen erschüttert das nordirische Belfast. Randalierer des pro-britischen, protestantischen Lagers liefern sich Straßenschlachten mit der Polizei. Unter den Mob mischen sich gelangweilte Jugendliche ohne Perspektive. Dabei hatte es Belfast gerade geschafft, sein negatives Image abzulegen.

Flaggen-Streit: Straßenschlachten in Belfast
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Die britische Nordirland-Ministerin Theresa Villiers nannte es eine Schande, dass Leute Steine werfen, weil sie nicht akzeptieren wollen, dass die britische Flagge nicht mehr täglich, sondern nur noch an 17 bestimmten Tagen pro Jahr auf dem Rathaus von Belfast weht. Premierminister David Cameron schweigt seit Ausbruch der Unruhen zum Thema Nordirland.

"Union Flag" weht seit 1906

Die erstmals 1906 gehisste "Union Flag" auf dem prächtigen weißen Gebäude mit Kolonnen und grünen Kuppeln ist ein wichtiges Symbol für die pro-britischen Protestanten, die den blutigen Bürgerkrieg mit den katholischen Separatisten nicht vergessen haben.

Die sogenannten "Troubles" haben in den drei Jahrzehnten bis zum Karfreitagsabkommen von 1998 auf beiden Seiten 3600 Menschenleben gefordert.

Trotz aller Fortschritte bei der schwierigen Aussöhnung mit ihren Nachbarn fühlen sich heute manche Unionisten politisch benachteiligt, weil die Zentralregierung in London angeblich ihre Werte verraten hat. "Wir wollen die ,Union Flag' zurück. Unsere Menschen haben dafür gekämpft, viele sind dafür gestorben", sagte ein aufgewühlter junger Mann der BBC.

"Patrioten" wollen für Flagge kämpfen

Die Protestanten im ärmlichen Osten von Belfast sind empört darüber, dass die Nationalisten der Sinn Fein mit Hilfe der liberalen Allianz-Partei im Dezember die Ratsmitglieder der Democratic Unionist Party überstimmen und die neue Flaggenordnung durchsetzen konnten.

Seitdem lassen die britischen "Patrioten" keine Gelegenheit aus, um auf den Straßen ihre Wut zu zeigen — zum großen Teil friedlich, aber auch mit brennenden Wurfgeschossen. Die bisherige Bilanz der Gewaltwelle: mehr als 60 verletzte Polizisten, 104 Festnahmen, vier Anklagen und ein Sachschaden in Millionenhöhe.

Belfast feierte schon die eigene Zukunft

Noch viel schwerer wiegt der Imageverlust der dynamischen Stadt. Es ist noch nicht lange her, dass Belfast mit großem Aufwand den 100. Jahrestag des Stapellaufs der "Titanic" und die eigene glänzende Zukunft gefeiert hat. Jetzt könnten sich Touristen und Investoren gleichermaßen abgeschreckt fühlen.

In der ersten Sitzung des Jahres schloss der Stadtrat von Belfast jegliche Zugeständnisse an die Demonstranten aus. Daraufhin gab es in protestantischen Vierteln noch größere Unruhen. Nach Polizeierkenntnissen koordiniert eine paramilitärische Unionisten-Gruppe die Krawalle.

Gelangweilte Jugendliche

In ärmlichen Vierteln wie dem an der Newtownards Road finden sich genügend verbitterte und gelangweilte Jugendliche, die sich zum Werfen von Molotow-Cocktails anstiften lassen.

Am Sonntag hatten Politiker und Kirchenvertreter gemeinsam versucht, eine Lösung zu finden, um die Gewalt zu stoppen. Robin Newton von der protestantischen Democratic Unionist Party erklärte, die Lage sei extrem schwierig, weil die Organisatoren nicht gesprächs- oder kompromissbereit seien: "Wir müssen einen Weg aus dieser Lage herausfinden, aber wie wir das schaffen sollen, weiß ich nicht."

Am Mittwoch wehte die Fahne dann zum ersten Mal seit Einführung der neuen Regelung wieder über dem Rathaus. Und dies aus einem sehr britischen Grund: Herzogin Kate feiert ihren 31. Geburtstag.

(RP/csi/das)
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