Italiens Ministerpräsident Die verbalen Fehlgriffe des Silvio Berlusconi

Rom/Düsseldorf (RPO). Silvio Berlusconi ist wieder einmal ins Fettnäpfchen getreten: Italiens Ministerpräsident verglich die Notunterkünfte der Opfer des schweren Erdbebens in Mittelitalien mit einem "Campingwochenende". Die verbale Entgleisung des "Cavaliere" ist nicht der erste Aussetzer dieser Art. Berlusconi ist aber nicht nur deswegen einer der umstrittensten Politiker in Europa.

Silvio Berlusconi: Aussetzer und Leben des Cavaliere
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Foto: dpa/Angelo Carconi

260 Todesopfer und 1000 Verletzte - das ist die schreckliche Bilanz der Erdbebenkatastrophe in Italien. Darüber hinaus stehen 17.000 Menschen, die ihre Wohnung oder ihr Haus verloren haben, auf der Straße. Silvio Berlusconi versprach den Opfern Hilfe des Staates, Nahrung, medizinische Versorgung und Unterkunft. "Wir lassen euch nicht im Stich!", rief er den verunsicherten Menschen zu.

Dann aber folgte einer seiner berüchtigten Aussetzer: "Natürlich" sei ihre Unterbringung "absolut provisorisch, aber man muss es eben nehmen wie ein Campingwochenende", sagte Berlusconi im Interview mit dem Fernsehsender "NTV". Diese Verunglimpfung des Leids in seinem eigenen Land ist nicht sein erster verbaler Ausrutscher.

Von Deutschland aus schaut man immer etwas verwundert auf Berlusconi. In Italien ist ja alles etwas chaotischer, lockerer, leichter - ein Politiker wie er passt in dieses Land, das im Schnitt alle zwei Jahre eine neue Regierung bekommt. Ein Medienmogul und langjähriger Chef eines Fußballklubs (AC Mailand) wäre hierzulande als Kanzler wohl nicht vermittelbar. In Italien ist das trotz vieler Bedenken, Vorwürfen von Bilanzfälschung, Vetternwirtschaft und Korruptions-Ermittlungen der Staatsanwaltschaft möglich - Berlusconi ist nach zum vierten Mal im Amt. Mit Unterbrechungen, versteht sich.

Italienischer Rekordhalter

Dieser Umstand verwundert - aus deutscher Sicht - nur auf den ersten Blick. Berlusconi kann sogar auf einen italienisches Rekord zurückblicken: Seine zweite Regierung war die stabilste seit dem Zweiten Weltkrieg und hielt am längsten. In Deutschland muss man verstehen: Für die Italiener ist der Wunsch nach Stabilität bei der Wahl maßgeblich. Das unrühmliche Intermezzo des linksliberalen Ex-EU-Kommissionspräsidenten Romano Prodi als Ministerpräsident ist vielen Menschen in schlechter Erinnerung und gilt als Scheitern der zersplitterten Linken.

Außerdem gibt es im Land des "Dolce Vita" ein wirtschaftliches Nord-Süd-Gefälle. Viele Bewohner des bevölkerungsreichen und wirtschaftlich starken Nordens schauen verächtlich auf die unterentwickelten Regionen wie Kalabrien oder Sizilien. Der gebürtige Mailänder Berlusconi vertritt ihre Interessen und koaliert stets mit der stramm konservativen Lega Nord, die bereits eine Teilung Italiens forderte. In seiner eigenen Partei ist er unumstritten. Popolo della Libertà ist die neue politische Heimat, die sich der Multimilliardär Berlusconi kürzlich selbst geschaffen hat.

Seine internationale, aber doch zweifelhafte Berühmtheit hat er auch seinen umstrittenen Äußerungen zu verdanken, die ihn in der deutschen Politik wohl längst unhaltbar gemacht hätten. Dem SPD-Europaabgeordneten Martin Schulz sagte Berlusconi im EU-Parlament, er könne einen KZ-Wächter in einem Film spielen.

Oder: Im November 2008 hatte er den künftige US-Präsidenten Barack Obama als "jung, hübsch und gebräunt" bezeichnet. Zwei Jahre zuvor eckte er bei den Chinesen an, als er bei einer Wahlkampfveranstaltung behauptete, "dass sie in China zu Zeiten von Mao die Kinder nicht gegessen, sondern gekocht haben, um damit die Felder zu düngen".

In frischer Erinnerung ist der kürzliche Eklat beim Nato-Gipfel, als Berlusconi wegen eines Telefonats dem Gruppenbild der Staats- und Regierungschefs fern blieb. Am 1. April rief er während eines Besuchs der Teilnehmer des G 20-Gipfels bei Königin Elizabeth II. in London lauthals nach "Mister Obama". "Warum muss er schreien?", fragte die Queen. Der Buckingham Palace dementierte jedoch später, dass das Auftreten Berlusconis die Monarchin verärgert habe.

Lebenslustiger Italiener

Besonders pikant ist Berlusconis Verhältnis zu seinem eigenen Körper und den Frauen. "Immer wieder überkommt es ihn, das Denken aus dem Unterleib", schrieb der "Spiegel" kürzlich in einem Artikel über das öffentliche Privatleben des Lebemanns. Da feiert Berlusconi, 72, nach einem Krisengipfel in Paris bis in die Morgenstunden in einer Mailänder Diskothek. "Wenn ich drei Stunden schlafe, habe ich danach genug Energie, um noch drei Stunden Liebe zu machen", erklärte der äußerlich jung wirkende Senior den Umstehenden. Über Frauengeschichten gibt es viele Gerüchte, seine zweite Gattin Veronica führt angeblich ihr eigenes Leben.

Auch in politischen Fragen zeigt Berlusconi, wenn man seinen eigenen Angaben Glauben schenken darf, körperlichen Einsatz. Angeblich becircte er die finnische Präsidentin Tarja Halonen, um sich ihre Unterstützung in einer EU-Frage zu sichern: "Ich musste all meine Playboytricks nutzen, obwohl ich sie eine Zeit lang nicht mehr angewendet habe." In Finnland selbst war man nicht amüsiert und bestellte den italienischen Botschafter ein.

Um beim anderen Geschlecht im Gespräch zu bleiben, scheut Berlusconi keine Mühen und macht aus seinen künstlichen Verjüngungen keinen Hehl. Einen Termin mit Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger ließ er platzen, da er auf einer Schönheitsfarm behandelt werden musste. Kein Alkohol, keine Zigaretten, wenig Fleisch - bei vielen Wählerinnen kommt Berlusconi gut an, fühlt sich teilweise wie eine Reliquie behandelt. Und sein Machismo trifft offenbar den Nerv seiner männlichen Klientel.

Der Klatsch-Kolumnist Roberto D'Agostino hat gegenüber dem "Spiegel" eine ganz eigene Interpretation für die Erfolgsstory des Cavaliere: "Jeder möchte haben, was Berlusconi hat. Ihr Deutschen versteht das nicht. Wir sind Lateiner, keine Calvinisten. Moralismus hat in der Politik nichts verloren."

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