Die Taliban und Katar Welche Rolle spielen die Scheichs?

Katar · An der Rolle des Emirats Katar im Afghanistan-Konflikt scheiden sich die Geister: Ist es hilfreicher Vermittler oder bloß ein Außenposten der Terroristen? Klar ist: Die Staatsführung in Doha unterstützt die Muslimbruderschaft und unterhält gute Beziehungen in den Iran.

 Der Anführer der Taliban, Mullah Abdul Ghani Baradar (l.), bei einem Treffen mit Katars Außenminister Mohammed bin Abdulrahman Al Thani.

Der Anführer der Taliban, Mullah Abdul Ghani Baradar (l.), bei einem Treffen mit Katars Außenminister Mohammed bin Abdulrahman Al Thani.

Foto: picture alliance / AA/Qatari Foreign Ministry / Handout

Wie sich doch die Zeiten ändern. Als führender Kopf der Taliban musste Mullah Abdul Ghani Baradar nach dem US-Angriff auf Afghanistan vor 20 Jahren fliehen – jetzt kehrte er als Prominenter zurück: Die Luftwaffe des Emirats Katar flog Baradar von Doha in sein Heimatland. Katar betrachtet sein Engagement im Afghanistan-Konflikt als außenpolitische Investition, die sich in den Beziehungen zu den USA und im Konkurrenzkampf mit anderen Golfstaaten auszahlen soll. Doch das reiche Emirat gerät dabei zunehmend ins Zwielicht: Einige deutsche Politiker stellen sogar die Ausrichtung der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 durch Katar infrage, weil das Land enge Kontakte zu den terroristischen Taliban unterhält.

Seit 2018 führte Baradar die Taliban-Vertretung in Katar als Chef-Unterhändler der Extremisten in ihren Gesprächen mit den USA und der inzwischen entmachteten afghanischen Regierung. Dabei spielte es weder für die USA noch für Katar eine Rolle, dass Baradar und andere Taliban-Emissäre als Gewalttäter bekannt waren. Fünf von Baradars Helfern trafen aus dem US-Gefangenenlager Guantánamo in Doha ein, nachdem sie im Austausch für einen in Afghanistan gefangen genommenen US-Soldaten freikamen.

Baradar unterzeichnete im vergangenen Jahr in einem Luxushotel in Doha ein Friedensabkommen mit den USA, das einen geordneten Abzug der amerikanischen Truppen aus Afghanistan und Gespräche zwischen den Taliban und der Regierung in Kabul vorsah. Die schnelle Machtübernahme der Taliban in den vergangenen Wochen hat das Papier nun jedoch wertlos gemacht.

Als Katar den Taliban im Jahr 2013 erlaubte, ein Büro in Doha zu eröffnen, geschah das mit Unterstützung der USA: Washington suchte einen Standort für Verhandlungen mit der radikalislamischen Miliz, um den amerikanischen Truppenabzug vorbereiten zu können. Auch andere Golfstaaten wie die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) hätten damals gerne die Taliban-Vertretung eingerichtet – doch Katar, Standort der größten US-amerikanischen Militärbasis in der gesamten Region, machte das Rennen.

Reibungslos war das Verhältnis zwischen Katar und seinen Gästen nicht. Schon kurz nach Eröffnung des Taliban-Büros gab es Streit, weil die Taliban vor ihrer Villa in Doha ihre Flagge hissten und das Gebäude als Vertretung des „Islamischen Emirats Afghanistans“ bezeichneten. Das verärgerte die damalige af­ghanische Regierung in Kabul so sehr, dass sie geplante Verhandlungen in Doha platzen ließ. Darauf schlossen die Taliban ihr Büro für mehrere Jahre. Erst im Sommer 2018 trafen sich Abgesandte der Miliz und der US-Regierung schließlich in der katarischen Hauptstadt.

Das reiche Emirat – Katar verfügt über riesige Reserven an Erdgas – ärgert seine arabischen Nachbarn schon lange mit einer Außenpolitik, bei der die Regierung viel Geld ausgibt und sich nicht dem regionalen Schwergewicht Saudi-Arabien unterordnen will. Die Staatsführung in Doha unterstützt die islamistische Muslimbruderschaft, pflegt gute Beziehungen zum Iran und hilft der Türkei mit Milliardensummen bei der Bewältigung ihrer Wirtschaftskrise.

Das Emirat Katar, das weniger als drei Millionen Einwohner hat und kleiner ist als Schleswig-Holstein, hat sich mit seiner umtriebigen Außenpolitik viel internationale Aufmerksamkeit verschafft: Erst vor wenigen Tagen telefonierte Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem Emir von Katar, Tamim bin Hamad Al Thani. Der deutsche Af­ghanistan-Unterhändler Markus Potzel reiste vorige Woche nach Doha, um mit den Taliban über die Ausreise von afghanischen Ortskräften deutscher Institutionen zu sprechen.

Beliebt macht sich Katar mit seiner Politik jedoch nicht überall. Andere Golfstaaten werfen dem Emirat vor, sich in Konflikte weit jenseits seiner eigenen Landesgrenzen einzumischen sowie den islamischen Extremismus zu unterstützen und radikale Gruppen wie die Taliban aufzuwerten. Im Jahr 2017 wurde Katar deshalb schließlich von Saudi-Arabien, den VAE, Bahrain und Ägypten mit einem Boykott belegt, der sein Ziel allerdings verfehlte: Anfang dieses Jahres wurde der Streit beigelegt, ohne dass Katar Zugeständnisse machen musste. Bei der Kritik an den Kataris ist jedoch ohnehin viel Heuchelei im Spiel: Der Nahost-Experte David Roberts vom Londoner King’s College merkte in einem Beitrag für die Denkfabrik Arab Gulf States Institute in Washington an, dass Länder wie Saudi-Arabien zwar über Katar schimpften, sich aber selbst in viele Konflikte einschalteten.

Auch nach dem Fall von Kabul sieht Katar keinen Grund für eine neue Außenpolitik. Wie der Rivale VAE nimmt Doha derzeit Mitglieder der gestürzten afghanischen Regierung auf, um bei künftigen Verhandlungen im Geschäft zu bleiben. Auch in anderen Konflikten mischt Ka­tar weiter mit, etwa im Dauerstreit zwischen Israel und den Palästinensern: Nach den jüngsten Gefechten im Gazastreifen im Mai will das Emirat 500 Millionen US-Dollar für den Wiederaufbau in Gaza bereitstellen. In den vergangenen Tagen einigte sich Doha mit Israel darauf, das Geld über die Vereinten Nationen auszuzahlen.

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