Brüssel Die neuen Köpfe der EU

Düsseldorf (RP). Ein Vermittler-Talent, der belgische Premierminister Herman Van Rompuy, wird erster ständiger EU-Ratspräsident, eine "rote Baronin" aus Großbritannien Europas erste Außenministerin.

Catherine Ashton - streitlustige Adlige
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Neben Alpha-Tieren à la Nicolas Sarkozy wirkt er wie die graue Maus des europäischen Polit-Zirkus: Herman Van Rompuy scheut das Rampenlicht. Der Flame wollte nicht einmal belgischer Ministerpräsident werden. Er übernahm das Amt als Nothelfer nach dem Aus für seinen pannengeplagten Vorgänger Yves Leterme.

"Der erste Premier wider Willen" titelte damals die belgische Presse. Das ist knapp ein Jahr her. Nun fällt dem blass-bescheidenen 62-Jährigen wieder ein Top-Job zu, den er nie anstrebte, aber nicht ablehnen konnte: der des ersten ständigen Ratspräsidenten.

Herman who?

Ein Nobody wird Europas Spitzenmann. "Herman who?" spottete die englischsprachige Presse und verballhornte seinen Namen als "Rumpypumpy". Doch die Alpha-Tiere in den Hauptstädten haben es so gewollt. Angela Merkel, Nicolas Sarkozy und Co. wählten keinen charismatischen Führer à la Tony Blair an die Spitze der Union, der mit den Mächtigen dieser Welt auf Augenhöhe verhandeln kann. Sie bevorzugten einen Manager, der moderiert, aber nicht dominiert. Er wolle ein guter Zuhörer sein, sagte der Belgier nach seiner Wahl. Und: "Europa muss eine wichtige Rolle in der Welt spielen."

Nur in einer Hinsicht darf er Profil zeigen — als König der internen Kompromiss-Findung. Denn der zunächst für zweieinhalb Jahre ernannte Präsident soll den "Konsens" in der EU-Chefrunde fördern und so für mehr politische Kontinuität sorgen. Kein Job für Egozentriker also, sondern für einen wie Van Rompuy. Der belgische Premier gilt als guter Vermittler. Als er antrat, war der Graben zwischen dem reichen Flandern im Norden und dem Armenhaus Wallonie tiefer denn je. Der Bestand des Staates schien gefährdet. Der neue Ministerpräsident, dem feine Sensoren für seine Gesprächspartner nachgesagt werden, schaffte es, eine Fünf-Parteien-Koalition zusammenzuhalten und die Wogen zu glätten.

Van Rompuy verpackt seinen Sinn für Humor gerne in Haiku-Verse. Im Stil der japanischen Lyrik schreibt er dann Gedichte, mit denen er auch seine Landsleute beglückt. So hinterließ er im Sommer, als er sich zum Wohnmobilurlaub nach Australien abgesetzt hatte, einen Dreizeiler mit dem Titel "Fliege": "Eine Fliege brummt und summt/ springt und turnt im Zimmer rund/ sie tut niemand weh." Das klingt fast wie sein Credo für den neuen Job an Europas Spitze.

Browns Überraschungs-Coup

Londons Premier Gordon Brown hat zwar nicht geschafft, Tony Blair durchzusetzen. Aber mit EU-Handelskommissarin Catherine Ashton landete er einen Überraschungs-Coup: In letzter Sekunde legte der Brite vor Gipfel-Beginn seine Trumpfkarte auf den Tisch. Er verzichtete auf Blair und schlug stattdessen die Adelige Catherine Ashton für das zweite neue Spitzen-Amt vor — als ersten Außenminister der Gemeinschaft.

Der Job verspricht mehr Macht als der des Ratspräsidenten. Europas Sozialisten reklamierten ihn seit Wochen für sich — mit Einverständnis der Konservativen, die dafür Ratspräsident und Kommissionschef stellen. Nur Brown schien diesen Deal nicht akzeptieren zu wollen — bis gestern Abend.

Nun wird eine "rote Baronin" aus Großbritannien Europas Hillary Clinton. Dabei ist sie selbst in ihrer eigenen Heimat noch weitgehend unbekannt. Die 53-jährige Wirtschaftsexpertin gilt als unerfahren auf diplomatischem Parkett.

Als Vorsitzende des Oberhauses hatte die Baroness den in Großbritannien ungeliebten EU-Reformvertrag von Lissabon durchgeboxt — genau jenen Text, der ihr neues Amt der "Außenministerin" schafft. Im Gegensatz zum bisherigen EU-Chefdiplomaten Javier Solana hat Ashton mehr Macht. Denn sie ist zugleich Vizepräsidentin der EU-Kommission. Noch nie war jemand in beiden Gremien — dem Rat der Staaten und der EU-Exekutive - vertreten. Ihr Amt ließe also Spielraum für einen starken EU-Außenauftritt aus einem Guss. Sie könnte jene Telefonnummer Europas sein, die schon Henry Kissinger verlangte.

(RP)
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