Land wählt ein neues Parlament Die Iraker dürsten nach einem Neuanfang

Bagdad · Selten war eine Wahl im Irak so spannend. Denn Regierungschef Nuri al-Maliki hat seine Macht zwar ausbauen können, indem er sich die Loyalität weiter Teile des Sicherheitsapparates gesichert hat. Doch bei den Wählern ist er unbeliebt.

April 2014: Der Irak wählt ein neues Parlament
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Die Warnung war drastisch. "Wer in einem Wahllokal arbeitet, wird von uns geköpft", stand auf den Flugblättern, die sunnitische Terroristen in den Tagen vor der Parlamentswahl in der irakischen Stadt Mossul verteilten. Mehrere Wahllokale am Stadtrand von Mossul bleiben deshalb am Mittwoch geschlossen. Die Angestellten der Wahlkommission wagten es nicht zu kommen. Wähler, die selbst kein Risiko scheuten, um zu den Urnen zu gelangen, sind wütend, als sie vor verschlossenen Türen stehen.

In den Stadtzentren bietet sich ein anderes Bild. Hier sind die Wahllokale voll, in Mossul und auch in der Hauptstadt Bagdad, wo es den Terroristen nicht gelingt, die Abstimmung zu stören. "Wandel" ist das Wort, das man hier am häufigsten hört, wenn man mit Wählern spricht. Das verheißt nichts Gutes für den schiitischen Regierungschef Nuri al-Maliki, der eine dritte Amtszeit anstrebt. "Ich gehöre zu den Menschen, die auf den Wandel hoffen", sagt Sarmad Chalil (33), der in einem Supermarkt in Bagdad arbeitet. Für den Gang ins Wahllokal in der Palästina-Straße hat sich er sich seinen besten Anzug angezogen.

In Falludscha fällt die Wahl aus

Udai al-Saadi (46) hat zwar als Beamter im Ministerium für Kommunalverwaltung beruflich eine bessere Position als Chalil. Doch auch er will Veränderung. Deshalb gehören Al-Saadi, seine Ehefrau und seine Tochter an diesem sonnigen Apriltag zu den ersten Wählern, die am Morgen in einer Oberschule in Bagdads Karrade-Viertel ihre Stimmen abgeben. Al-Saadi, der in einem bequemen arabischen Männergewand zur Wahl gegangen ist, sagt: "Wir wollen frisches Blut in der Politik, und nicht die immer gleichen Gesichter, die wir schon seit 2003 sehen."

Al-Maliki sieht sich zwar schon wenige Minuten nach Öffnung der Wahllokale als Sieger. Doch wahrscheinlich weiß er schon, wie unbeliebt er inzwischen ist. Jedenfalls hatte er wenige Tage vor der Parlamentswahl eine Kampagne im schiitischen Süden gestartet. Er fuhr von Stadt zu Stadt und verteilte persönlich Grundstücke an die Armen. Den Beschenkten sagte er: "Wer mich wählt, der erhält auch noch einen Kredit, um zu bauen."

In der westlichen Stadt Falludscha, wo sich die Armee seit Anfang des Jahres Gefechte mit der Gruppe Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS) liefert, fällt die Wahl aus. Ein Großteil der Bevölkerung ist ohnehin aus der Stadt geflüchtet. In der Nachbarstadt Ramadi haben zumindest einige Wahllokale geöffnet. In den weiter westlich gelegenen Ortschaften Al-Rutba, Al-Kaim und Al-Haditha ist die Wahlbeteiligung relativ hoch, wenn man bedenkt, dass auch hier in den vergangenen Tagen Flugblätter mit Drohungen islamistischer Terroristen verteilt worden waren.

US-Regierung mit Al-Maliki unzufrieden

Viele der Sunniten, die hier wählen, geben ihre Stimmen der Mutahidun-Liste des sunnitischen Parlamentspräsidenten Osama al-Nudschaifi, der zu den erbitterten Kritikern von Al-Maliki zählt.
Doch ihre Rechnung wird möglicherweise nicht aufgehen. Bei der Parlamentswahl 2010 hatte Al-Malikis Partei zwar nicht die meisten Sitze errungen. Trotzdem war es damals ihm und nicht dem Erstplatzierten, Ijad Allawi, gelungen, eine Regierung zu bilden.

Auch die US-Regierung, die ihre letzten Truppen Ende 2011 aus dem Irak abgezogen hatten, ist mit Al-Maliki unzufrieden. Sie wirft ihm vor, er schüre die Spannungen zwischen Schiiten, Sunniten, Arabern und Kurden. Da seine Armee gegen die ISIS-Terroristen kämpft, liefert sie ihm aber trotzdem modernes Militärgerät.

(dpa)
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