Verhandlungen Die EU geht beim Brexit von einem No-Deal-Szenario aus

London · Jetzt ist auch der Groschen in Brüssel gefallen. Wie britische Medien übereinstimmend berichteten, geht die EU davon aus, dass ein ungeregelter Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union am 31. Oktober droht.

 Boris Johnson kommt aus der 10 Downing Street.

Boris Johnson kommt aus der 10 Downing Street.

Foto: dpa/Kirsty Wigglesworth

Nach Gesprächen mit dem britischen EU-Gesandten David Frost und dem Brexit-Minister Steve Barclay habe sich diese Erkenntnis jetzt als Arbeitshypothese durchgesetzt. Man akzeptiere, dass der neue Premierminister Boris Johnson nicht blufft mit seiner Ankündigung, den Brexit, „komme, was wolle“, zum 31. Oktober zu vollziehen.

„Ein No Deal“, wird ein hochrangiger Beamter nach einer Lagebesprechung von EU-Unterhändlern und Diplomaten zitiert, „scheint nun das zentrale Szenario der britischen Regierung zu sein“. Es gebe im Moment keine Basis für „sinnvolle Diskussionen“ und die Verhandlungen wären jetzt wieder auf dem Stand vor drei Jahren. Ein Sprecher der britischen Regierungszentrale reagierte am Dienstag: „Der Premierminister will EU-Führer treffen und einen neuen Deal verhandeln, der den anti-demokratischen Backstop abschafft.“ Der sogenannte Backstop soll eine harte Grenze in Nordirland verhindern und sieht vor, dass Großbritannien bis zur Einigung über eine anderweitige Regelung in der Zollunion verbleibt. Das wird von Johnson scharf abgelehnt und mittlerweile offiziell als „anti-demokratisch“ bezeichnet, weil es in der Lesart der Brexit-Hardliner den durch das Referendum ausgedrückten Volkswillen verletzt. „Wir hoffen“, sagte der Sprecher weiter, „dass die EU ihr jetzige Weigerung, das Austrittsabkommen zu ändern, überdenkt“.

Die EU hat wiederholt und mit aller Deutlichkeit argumentiert, dass das mit Johnsons Vorgängerin Theresa May verhandelte Austrittsabkommen nicht wieder aufgeschnürt werden kann, und dass der Backstop nicht zur Verhandlung steht. Viele in Brüssel, aber auch in Großbritannien, hatten nach dem Einzug von Boris Johnson in die Downing Street gehofft, dass der neue Premierminister vielleicht nicht ernst meint, was er im Wahlkampf um den Parteivorsitz gesagt hatte. Doch nur in einem Punkt mag man da recht haben. Johnson hatte getönt, dass die Wahrscheinlichkeit eines ungeregelten Austritts bei „einer Million zu eins“ läge. Jetzt sieht es anders aus. Der No-Deal-Brexit ist mittlerweile klarer Favorit unter den möglichen Szenarien.

Johnson meint es ernst, wenn er sagt, dass Großbritannien am 31. Oktober ausscheidet. Man kann davon ausgehen, dass er nicht blufft. Die einzige Möglichkeit für einen Deal ergäbe sich, wenn die EU seine Maximalforderungen erfüllt. Das ist nicht gerade wahrscheinlich.

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