Ägyptens Präsident Mursi zementiert seine Macht Die Angst vor einem neuen Pharao

Kairo · Seine Vermittlerrolle im Gaza-Konflikt hatte Mohammed Mursi viel Lob eingebracht, doch nun schaut die Welt wieder mit Sorge nach Ägypten. Denn der Präsident hat sich selbst mit fast unbegrenzter Macht ausgestattet. Die Opposition sieht die Früchte der Revolution in Gefahr – und ruft erneut zu Protesten auf.

Ägypten 2012: Demonstrationen für und gegen Mursi
13 Bilder

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Seine Vermittlerrolle im Gaza-Konflikt hatte Mohammed Mursi viel Lob eingebracht, doch nun schaut die Welt wieder mit Sorge nach Ägypten. Denn der Präsident hat sich selbst mit fast unbegrenzter Macht ausgestattet. Die Opposition sieht die Früchte der Revolution in Gefahr — und ruft erneut zu Protesten auf.

Die Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas war gerade einmal wenige Stunden alt, da sorgte Mohammed Mursi für den neuen Paukenschlag. "Kein Justizorgan hat das Recht, das Verfassungskomitee oder den Schura-Rat (die zweite Parlamentskammer) aufzulösen", hieß es in einer Verfassungserklärung des Präsidenten, die im Fernsehen vorgetragen wurde.

Zudem dürften die Entscheidungen des Präsidenten von keinem Gericht behindert werden. Damit seien alle Dekrete, die Mursi erlassen und die von der Justiz wieder aufgehoben worden waren, wieder gültig. Allumfassende Macht also für den Präsidenten und die Muslimbrüder, die das Parlament und auch das Verfassungskomitee dominieren.

Mit einem Schlag versucht der Präsident, allen innenpolitischen Problemen Herr zu werden. Denn einerseits hatten liberale Kräfte zunehmend das Verfassungskomitee verlassen, um damit ihren Protest über die Unnachgiebigkeit der Muslimbruderschaft Ausdruck zu verleihen, die eine Verfassung auf Basis der Scharia anstrebt. Andererseits hatte es zuletzt immer wieder Auseinandersetzungen zwischen dem Präsidenten und der Justiz gegeben.

Von Clinton in höchsten Tönen gelobt worden

Entsprechend wächst nun sowohl im In- als auch im Ausland die Sorge vor einer radikalen islamischen Politik in Ägypten. Dabei war Mursi noch vor nicht einmal 48 Stunden insbesondere vonseiten der USA in den höchsten Tönen gelobt worden. US-Außenministerin Hillary Clinton hatte etwa bei der Verkündung der Waffenruhe erklärt: "Die neue ägyptische Regierung hat die Verantwortung und Führung übernommen, die das Land seit Langem zu einem Grundpfeiler von regionaler Stabilität und Frieden gemacht haben."

Es waren Worte, die Hoffnung auf eine neue Partnerschaft zwischen den beiden Staaten machten, nachdem die USA skeptisch auf Mursi regierten, der seine Wurzeln selbst in der Muslimbruderschaft hat. Doch diese Skepsis dürfte nun wieder aufkeimen, denn keiner weiß, wie sich der neue Erlass auf Ägyptens küftige Politik auswirken wird.

Die Opposition des Landes ist zumindest zutiefst beunruhigt, hat für diesen Freitag zu Massenprotesten aufgerufen. "Die Revolution akzeptiert keinen neuen Diktator", hatte etwa der Sender Al Arabija den ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Hamdien Sabahi zitiert. Ähnliches war von der Publizistin Mona al Tahawi zu hören: "Wir wollen keinen neuen Diktator."

Ägyptens Friedensnobelpreisträger Mohammed el Baradei, der zwischenzeitlich sogar als möglicher neuer Präsident gehandel worden war, zeigte sich ebenso entsetzt über den jüngsten Erlass. "Mursi hat sich heute aller Staatsgewalten bemächtigt und sich selbst zum neuen Pharao Ägyptens ernannt", sagte er. Andere politische Gruppen konstatierten, der Präsident habe "dem Volk und den Institutionen sämtliche Rechte und Macht geraubt.

Mubarak-Prozess wird wieder aufgerollt

Doch Mursi zog mit dieser Entscheidung nicht nur Protest auf sich. Nicht nur, dass er diese geschickt in jenem Moment getroffen hatte, nachdem er international — und somit auch national — große Anerkennung bekommen hatte. Sondern er verfügte mit seinem Erlass zugleich eine Entscheidung herbei, die manchen Ägypter wichtiger als alles andere sein mag. Er verfügte, dass sowohl Ex-Präsident Mubarak als auch anderen hohen Mitgliedern der damaligen Regierung erneut der Prozess gemacht werden solle.

Viele im Volk hatten sich darüber erzürnt, dass die Mitglieder des alten Regimes kaum oder gar nicht bestraft worden waren für die Verbrechen während des Regimes und während des Umsturzes. Nun handelt Mursi ganz nach dem Motto: Seht her, ohne meinen Erlass würden diese Menschen niemals ihrer gerechten Strafe zugeführt werden. Ein geschickter Schachzug, der manchen Revolutionär beruhigen dürfte.

Entsprechend gab es bereits kurz nach der Entscheidung massenhafte Pro-Mursi-Demonstrationen in Ägyptens Hauptstadt Kairo. Ob die Opposition ebenso viele Menschen versammeln kann, wird sich im Laufe des Tages zeigen.

mit Agenturmaterial

(das)
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