Flüchtlingsdrama in Catania Tuberkulose-Verdacht auf „Diciotti“ - zwölf Migranten gehen von Bord

Catania · Die Lage an Bord des Rettungsschiffs „Diciotti“ spitzt sich zu: Nach mehr als einer Woche gibt es seit Samstag mehrere Tuberkulose-Verdachtsfälle. Insgesamt sind zwölf Personen aus gesundheitlichen Gründen von Bord gegangen.

Die sechs Frauen und sechs Männer verließen das Schiff am Samstag, nachdem das Rote Kreuz zunächst von 16 Personen gesprochen hatte, die von Bord gelassen werden sollten, darunter alle elf verbliebenen Frauen. Der Sender Sky TG24 berichtete später, fünf Frauen hätten sich entschlossen, mit ihren Ehemännern auf der "Diciotti" zu bleiben. Auf dem Schiff gibt es Verdachtsfälle von Tuberkulose und Lungenentzündungen.Darüber hinaus zählt zu den zwölf Personen nun nach Angaben des Fernsehsenders Rai ein Mann mit einer Infektion. Damit befinden sich noch 138 Migranten auf dem Schiff, das seit Tagen in Sizilien vor Anker liegt, ohne dass die Menschen von Bord gelassen werden.

Die Nachrichtenagentur Ansa hatte zuvor von zwei Verdachtsfällen der ansteckenden Infektionskrankheit berichtet. Wie dpa aus verlässlicher Quelle erfuhr, waren es aber mehr. Zahlreiche Migranten leiden außerdem an Krätze. Nach ergebnislosen Beratungen über die Verteilung von aus Seenot Geretteten am Freitag in Brüssel ging die Hängepartie für die Migranten auf dem Schiff im Hafen von Catania weiter.

Unterdessen zeigte sich Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) „sehr zuversichtlich“, bald eine Vereinbarung mit Rom über die Rücknahme von Asylbewerbern zu treffen. Allerdings fordert Italien auch hier Zugeständnisse bei den aus Seenot geretteten Migranten.

Innenminister Matteo Salvini erwarte als Gegenleistung für die Rücknahme von Asylbewerbern an der deutsch-österreichischen Grenze, die bereits in Italien einen Antrag gestellt haben, „dass man in etwa vergleichbarer Größenordnung sich an der Seenotrettung beteiligt als Bundesrepublik Deutschland“, sagte Seehofer am Samstag in Berlin bei einem Termin mit Bürgern im Haus der Bundespressekonferenz.

Die populistische Regierung in Italien fährt einen strikten Anti-Migrationskurs. Sie will im Mittelmeer gerettete Migranten nur noch an Land lassen, wenn ihre Aufnahme in der EU vorab geklärt ist. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte am Samstag am Rande eines Besuchs in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku, die Gespräche über die Verteilung von Flüchtlingen, die gerade in Brüssel stattfinden, seien „alles andere als einfach“.

Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen forderte die EU-Staaten auf, sich auf Grundwerte wie Solidarität und die Menschenrechte zu besinnen. „Es ist an der Zeit, dem Schlagabtausch ein Ende zu setzen“, sagte UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi laut Mitteilung.

Auch Papst Franziskus schaltete sich von Irland aus ein und verlangte eine Lösung, die „weit über kurzfristige politische Entscheidungen hinausgehend Weisheit, Weitblick und humanitäre Fürsorge erfordert“. Die „massive Migrationskrise“ werde nicht von alleine aufhören, sagte der Pontifex in Dublin.

Die in Catania festsitzenden Migranten waren bereits am 16. August im Mittelmeer von der italienischen Küstenwache aufgenommen worden. Kurz nach der Rettung wurden 13 Migranten zur medizinischen Versorgung nach Lampedusa gebracht. Seit Montag liegt das Schiff in dem sizilianischen Hafen. Mittwochabend durften 27 Minderjährige von Bord gehen.

Schon vor Bekanntwerden der Tuberkulose-Verdachtsfälle hatten Medien über bedenkliche hygienische Zustände auf dem Schiff berichtet. Demzufolge gibt es nur zwei Bäder für die Vielzahl an Menschen.

Tuberkulose ist dem Robert Koch Institut zufolge auch heute noch weltweit die bakterielle Infektionskrankheit, die am häufigsten zum Tode führt - und das, obwohl sie behandelbar ist. Ansteckend sind Menschen, bei denen der Krankheitsherd Anschluss an die Luftwege hat. Bakterien werden dann durch Husten und Niesen freigesetzt.

(felt/dpa/ap)
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