Streit um Guantanamo-Häftlinge Deutschland will jeden Antrag genau prüfen

Berlin (RPO). Die deutsche Bundesregierung ist grundsätzlich bereit, ehemalige Gefangene aus dem US-Lager Guantanamo auf Kuba aufzunehmen. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm kündigte in Berlin jedoch eine genaue Prüfung eines jeden Antrags an. Zudem soll die Aufnahme in enger Absprache mit den europäischen Nachbarn stattfinden.

2008: Gefangenenlager Guantanamo
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Foto: AP

Das Innenministerium prüft derzeit Anfragen der US-Regierung. Nach Informationen der "Bild"-Zeitung soll es sich um Uiguren handeln, die bei einem positiven Bescheid nach Bayern gehen könnten. Die Bundesregierung wollte das zunächst nicht bestätigen. Ob noch vor Ablauf der Legislaturperiode eine Entscheidung gefällt werden könne, ist nach Angaben von Ministeriumssprecher Stefan Paris unklar.

Der Menschenrechtsexperte der Linken, Michael Leutert, forderte die Bundesregierung auf, "endlich ihre Bereitschaft erklären, die zehn unschuldig inhaftierten Uiguren aus Guantanamo aufzunehmen". Sie mache sich sonst "mitschuldig an dem Unrecht, das in Guantanamo geschieht". Das "System Guantanamo" basiere auf der Entrechtung der Gefangenen und auf Folter. Der deutsche Wahlkampf dürfe nicht auf Kosten unschuldiger Gefangener geführt werden.

Der Grünen-Spitzenkandidat für die Bundestagswahl, Jürgen Trittin, kritisierte, die Bundesregierung sei gerade dabei, sich in der Guantanamo-Frage "kräftig zu blamieren". Eine sorgfältige Prüfung der Anfragen aus den USA sei sinnvoll. Wenn sich die betroffenen Häftlinge als unschuldig erwiesen, müsse sich Deutschland jedoch zügig zu einer Aufnahme bereiterklären. Dies sei ein "Akt der Humanität", betonte Trittin. Angesichts der geringen Zahl der Anfragen stelle sich nicht die Frage, ob dies für Deutschland zumutbar sei.

FDP-Generalsekretär Dirk Niebel sprach sich gegen eine pauschale Zusage für eine Aufnahme aus. Es bedürfe einer "intensiven Einzelfallprüfung" zur Aufnahme von Guantanamo-Insassen in Deutschland. Er machte deutlich, er sei nicht grundsätzlich gegen eine Aufnahme der Guantanamo-Insassen. "Wenn jemand zu Unrecht gefoltert und gefangen gehalten wurde, kann man verstehen, dass er in diesem Land nicht bleiben möchte."

Unions-Bundestagsfraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) lehnte eine Aufnahme ab. "Ich sehe die USA weiter in der Verantwortung. Deutschland hat Guantanamo nicht errichtet und auch nicht betrieben", sagte er. Bosbach argumentierte, wenn jemand völlig unschuldig sei, stelle sich die Frage, warum er dann nicht längst aus Guantanamo entlassen worden sei. Außerdem müssten die deutschen Bundesländer mit einer Aufnahme einverstanden sein. "Bei den meisten Innenministern hält sich die Begeisterung doch sehr in Grenzen", sagte Bosbach.

SPD-Außenpolitiker Niels Annen forderte die Union auf, Guantanamo aus dem Wahlkampf herauszuhalten. Es sei nicht nur aus humanitären Gründen wichtig, dass Deutschland Ex-Gefangene aufnehme. "Es liegt auch im deutschen Interesse, weil wir etwa in Afghanistan in Mithaftung für die verfehlte Politik des früheren US-Präsidenten George W. Bush genommen werden." Die Aufnahme von Häftlingen könne diese falsche Wahrnehmung ändern. "Wir haben alle ein großes Interesse daran, dass Guantanamo endlich geschlossen wird", sagte Annen.

US-Präsident Barack Obama hatte angekündigt, Guantanamo zum 22. Januar kommenden Jahres zu schließen. Auf dem US-Militärstützpunkt Guantanamo Bay auf Kuba waren am 11. Januar 2002 die ersten Gefangenen gebracht worden. In den darauffolgenden Jahren wurden dort etwa 800 Terrorverdächtige festgehalten. Derzeit werden in dem Lager nach Angaben von US-Justizminister Eric Holder noch 241 Häftlinge festgehalten.

(DDP)
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