Hinrichtungswelle im Land Deutscher könnte im Iran wegen Terrorvorwürfen hingerichtet werden

Teheran/Istanbul · Die Islamische Republik erlebt derzeit eine Hinrichtungswelle. Auch für Jamshid Sharmadh könnte es bald soweit sein. Ihm wird vorgeworfen, er habe einen Anschlag auf eine Moschee im iranischen Schiras im Jahr 2008 zu verantworten. Nun wartet er auf das endgültige Urteil.

 Der Deutsch-Iraner Jamshid Sharmahd steht in Teheran wegen der angeblichen Planung eines Terroranschlags vor Gericht.

Der Deutsch-Iraner Jamshid Sharmahd steht in Teheran wegen der angeblichen Planung eines Terroranschlags vor Gericht.

Foto: Koosha Mahshid Falahi / AP / dpa

Im Iran droht einem Deutsch-Iraner die Todesstrafe. Jamshid Sharmadh muss sich vor Gericht wegen Terrorvorwürfen verantworten, die ihn an den Galgen bringen könnten, und wartet nach seinem letzten Prozesstag auf das Urteil. Die Tochter des Deutsch-Iraners befürchtet, dass ihr Vater bald hingerichtet werden könnte. Der Iran erlebt derzeit eine Hinrichtungswelle mit mehr als 300 vollstreckten Todesurteilen in der ersten Jahreshälfte, fast so viele wie im gesamten vergangenen Jahr. Die iranische Justiz wolle mit Massenhinrichtungen mehr Platz in den Gefängnissen schaffen, sagen Menschenrechtler.

Sharmadh war in den 80er-Jahren aus dem Iran nach Deutschland gekommen und hatte die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen. Vor fast 20 Jahren zog der Software-Entwickler in die USA, wo er sich in der iranischen Oppositionsgruppe Tondar engagierte. Auf einer Geschäftsreise vor zwei Jahren wurde er nach Angaben seiner Tochter Gazelle bei einer Zwischenlandung in Dubai von iranischen Agenten entführt, in den Iran gebracht und vor Gericht gestellt. Seine Gesundheit habe sich in der Einzelhaft sehr verschlechtert, sagt Gazelle Sharmadh. Ihrem Vater seien alle Zähne ausgefallen, und er könne kaum noch gehen. Weil Sharmadh auch noch die iranische Staatsbürgerschaft besitzt, dürfen sich deutsche Diplomaten im Iran nicht um ihn kümmern.

Der Prozess gegen Sharmadh werde von einem Richter geführt, der bereits bei anderen Verfahren gegen inhaftierte Doppelstaatler den Vorsitz gehabt habe, berichtete die regimekritische iranische Online-Plattform Iranwire. Am letzten Verhandlungstag am Dienstag bekräftige Richter Abolghasem Salavati demnach die Vorwürfe, Sharmadh sei der Anführer von Tondar und habe einen Anschlag auf eine Moschee im iranischen Schiras im Jahr 2008 zu verantworten, bei dem 14 Menschen starben.

Sharmadh wies alle Vorwürfe zurück. Nach seiner Festnahme 2020 hatte er den Moschee-Anschlag zwar gestanden, war nach Angaben seiner Tochter dazu aber unter Folter gezwungen worden. Nun bereite der Iran einen „vorsätzlichen Mord“ an ihrem Vater vor, schrieb sie auf Twitter. Bei einer Kundgebung vor dem iranischen Konsulat in Frankfurt protestierten am Wochenende mehrere Dutzend Menschen gegen Sharmadhs Inhaftierung.

Die Zahl der Exekutionen steigt nach Beobachtung der Menschenrechtsorganisationen seit der Wahl des Hardliners Ebrahim Raisi zum Präsidenten im Juni vergangenen Jahres. Raisi wirkte nach Angaben von Oppositionellen 1988 an einer Massenhinrichtung von bis zu 5000 Häftlingen mit und war bis zu seinem Wahlsieg Chef der iranischen Justiz. Sein Nachfolger auf diesem Posten, Gholamhossein Mohseni Ejei, ist ein früherer Geheimdienst-Minister und gehört wie Raisi zu den Hardlinern.

Nach Einschätzung der Menschenrechtsgruppe Abdorrahman Boroumand Center for Human Rights in Iran, die zusammen mit Amnesty einen Bericht über die Hinrichtungswelle vorlegte, wollen die Behörden der Islamischen Republik mehr Menschen an den Galgen bringen, „um die Häftlingspopulation zu reduzieren“. Darauf ließen Äußerungen hochrangiger Vertreter der Justiz schließen, berichtete ABC. So habe Justizchef Ejei die Losung ausgegeben, die Zahl der Häftlinge zu verringern und Urteile schneller zu vollstrecken.

Schon in der Vergangenheit habe es im Iran nach solchen Appellen aus der Staatsführung auffällig viele Hinrichtungen gegeben, erklärten die Menschenrechtler. Im Iran sitzen mehr als 200.000 Menschen in Gefängnissen, die für weniger als 100.000 Insassen gebaut sind. In Deutschland, einem Land mit vergleichbarer Einwohnerzahl, sitzen etwa 45.000 Menschen in Haft.

Iranische Henker bringen den Vorgaben der Justiz folgend immer schneller Häftlinge an den Galgen: Die Organisation Iran Human Rights berichtete am vergangenen Freitag von 13 Hinrichtungen allein in der vergangenen Woche. Unter den Opfern waren demnach drei Frauen, die ihre Ehemänner umgebracht hatten. Eine von ihnen sei als Minderjährige zwangsverheiratet worden. In solchen Fällen ignoriert die Justiz meistens, dass viele Frauen aus Notwehr handeln, um sich gegen gewalttätige Ehemänner zu verteidigen.

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