Unabhängigkeitstag in den USA Donald Trumps große Ego-Show

Washington · Der US-Präsident bricht mit der Tradition und hält eine Rede am Unabhängigkeitstag. Dabei gibt sich Donald Trump überraschend als Versöhner. Seine Unterstützer feiern ihn – trotz eines schweren Patzers.

 Präsident Donald Trump beobachtet die Flugstaffeln zum Unabhängigkeitstag. Es ist seit Langem die erste militärische Schau an diesem eigentlich eher friedlichen Datum. Lediglich das Wetter spielte nicht immer mit.

Präsident Donald Trump beobachtet die Flugstaffeln zum Unabhängigkeitstag. Es ist seit Langem die erste militärische Schau an diesem eigentlich eher friedlichen Datum. Lediglich das Wetter spielte nicht immer mit.

Foto: AFP/TASOS KATOPODIS

Es läuft exakt so, wie es sich die Regie vorgestellt hat. Als Donald Trump zu Marschklängen einer Militärkapelle die Bühne betritt, Hand in Hand mit seiner Ehefrau Melania, ist gerade  das erste Flugzeug im Tiefflug über das Lincoln Memorial hinweg gedonnert. Eine der beiden Boeing 747, die zur Air Force One werden, wenn der Präsident an Bord ist. Die Show kann beginnen, nachdem für ein paar Stunden Gerüchte die Runde gemacht hatten, dass sie am Ende ins Wasser fallen könnte. Am Nachmittag hat es gegossen wie aus Kannen. Wer früh da war, um in den vorderen Reihen hinter den Absperrgittern zu stehen, ist nass bis auf die Knochen. Aber nun, am frühen Abend, sind die Gewitter weitergezogen.

Trump steht hinter kugelsicherem Glas, an dem eben noch Regentropfen heruntergelaufen sind, sichtbare Spuren hinterlassend. Er inszeniert das Spektakel, das er inszenieren wollte, seit ihn die Militärschau am französischen Nationalfeiertag so beeindruckte, dass er sich Ähnliches auch in Washington wünschte. Er musste sich gedulden, weil er in den zwei Jahren seit seiner Paris-Reise auf Widerstand stieß. Im Herbst, am Veterans‘ Day, scheiterte der Plan einer Parade an den Kosten: 92 Millionen Dollar, das war selbst Republikanern im Kongress zu viel.

Die Verwaltung Washingtons, einer Stadt, in der Trump 2016 gerade mal vier Prozent der Wählerstimmen bekam, war alles andere als begeistert von der Vorstellung, Panzer rollen zu sehen. Das Weiße Haus musste zurückstecken, sodass alles eine Nummer kleiner ausfällt, als es sich der Präsident anfangs ausgemalt hatte. Die beiden Panzer, einer links, einer rechts vor der Bühne, bilden eine eher bescheidene Kulisse. 

 Trump-Unterstützer verfolgen das Spektakel.

Trump-Unterstützer verfolgen das Spektakel.

Foto: AP/Andrew Harnik

Trump tut, was seit fast siebzig Jahren kein amerikanischer Präsident mehr getan hat: Er hält vor großem Publikum eine Rede am Unabhängigkeitstag. An jenem „Fourth of July“, an dem das Land eigentlich Pause von der Politik machen will. Der Letzte, der sich darüber hinwegsetzte, war 1951 Harry Truman gewesen – während des Koreakrieges, in einer Krisensituation, wenn man so will. Einerseits also verstößt Trump gegen eine ungeschriebene Regel. Andererseits schlägt er einen Ton an, wie man ihn so gar nicht gewohnt ist. Er gibt den Versöhner, umso überraschender, weil das Publikum eher an seine emotionsgeladenen, angriffslustigen Kundgebungen denken lässt.

Vor ihm sitzen handverlesene Parteiaktivisten, und weiter hinten, hinter Gittern am Reflecting Pool, einem Wasserbecken,  stehen Zehntausende, von denen viele ihre Gesinnung schon durch Insignien kundtun. Rote Basecaps mit dem Slogan „Make America Great Again“. Blaue Fahnen, auf denen „Trump 2020“ zu lesen ist. Oder „Keep America Great“, der Slogan für die nächste Wahl. Mary Costley und Wayne Pegel, beide Rentner, sind aus Hudson gekommen, einer Kleinstadt in Florida. Zwei Tage waren sie unterwegs, auf einem Motorrad. Trump, schwärmt Pegel, habe Amerika wieder Respekt verschafft in der Welt. „Es kann nicht schaden, den einen oder anderen daran zu erinnern, dass wir Respekt verdienen“, sagt er und stellt klar, dass er überhaupt nichts einzuwenden hat gegen Panzer und Kampfflugzeuge am 4. Juli, auch wenn es das vorher nie gab. Christopher Casey, ein Bauarbeiter aus New York, findet, dass man darüber durchaus streiten könne. „Aber die andere Seite ist doch scheinheilig, sie ist schon aus Prinzip gegen alles, was Trump tut. Hätte Obama das Militär auffahren lassen, wäre das in ihren Augen völlig okay gewesen.“ Die andere Seite, das sind die Kritiker des Präsidenten. Und die durchnässte Menge am Reflecting Pool lässt schon durch Baseballkappen erkennen, dass sie mit ihr nichts zu tun haben will.

Normalerweise lässt Trump kein gutes Haar an seinen Gegnern, wenn er in einem solchen Ambiente, vor seinen Fans, redet. Diesmal aber gerät seine Ansprache, frei von verbalen Breitseiten, zu einer Art Schnellkurs in amerikanischer Geschichte. Er erzählt von Gründervätern und Flugpionieren, von Wolkenkratzern, Hängebrücken und dem Super-Bowl-Footballfinale, von den Suffragetten, die das Frauenwahlrecht erkämpften, und von Martin Luther King, der 1963 auf den Stufen des Lincoln Memorials seine legendäre I-have-a-dream-Rede hielt. Als er die Mondlandung streift, verspricht er, das Sternenbanner bald auch auf dem Mars wehen zu lassen. „Wir erinnern uns daran, dass wir alle ein außergewöhnliches Erbe teilen“, sagt Trump. „Gemeinsam sind wir Teil einer der größten Storys, die jemals erzählt worden ist – der Story Amerikas.“ Doch der stichpunkartige, alles Negative auslassende Geschichtsvortrag ist auch nur die Ouvertüre, denn in der Hauptsache geht es ums Militär.

Geradezu überschwänglich spricht der Mann, der sich einen Fersensporn attestieren ließ, um den Kriegsdienst in Vietnam zu umgehen, von der Noblesse des Dienens in Uniform. Wie ein Conférencier, der Künstlerauftritte ansagt, kündigt er den jeweils nächsten Clou an. Nacheinander fliegen Flugzeuge und Helikopter der Küstenwache, der Luftwaffe, der Kriegsmarine und der Marineinfanterie, darunter ein Tarnkappenbomber, über die National Mall, die Prachtmeile im Zentrum Washingtons. „USA! USA!“, skandieren begeisterte Zuschauer. Da geht zunächst unter, was für ein grober Schnitzer dem Commander-in-Chief unterlaufen ist. Als er skizziert, wie sich in den Revolutionskriegen des 18. Jahrhunderts, unter dem Kommando George Washingtons, eine einheitliche Armee formierte, spricht er nicht nur von den Festungsmauern, die diese Armee gestürmt, sondern auch von den Flughäfen, die sie erobert habe. Flughäfen anno 1775? Für Spötter ein gefundenes Fressen.

Ann Wright steht, anderthalb Kilometer vom Lincoln Memorial entfernt, neben einem Ballon, der Trump in Babywindeln abbildet. Es ist das aktuelle Erkennungszeichen von Code Pink, einer pazifistischen Gruppe, die kurz vor dem Irakkrieg entstand und die mit dem Ballonmotiv aussagen will, dass sie den Präsidenten für ein kleines Kind hält. Wright war politische Analystin bei der Armee, bevor sie in den diplomatischen Dienst wechselte, eingesetzt in Ländern wie Nicaragua, Somalia und Afghanistan. 2003 protestierte sie gegen den Einmarsch im Irak, indem sie in den vorzeitigen Ruhestand ging. „Peace with Iran!“, hat sie sich auf ein rosa T-Shirt drucken lassen, darunter dasselbe auf Farsi. Donald Trump, sagt sie, missbrauche das Militär, er benutze es als Theaterkulisse für eine Show, bei der sich alles nur um ihn drehe. Noch nächstes Jahr, mitten im Wahlkampf, werde er seinen Anhängern erzählen, wie einzigartig dieser 4. Juli gewesen sei, orakelt Ann Wright. „Und dass er der erste wahre Patriot ist, der im Weißen Haus residiert.“

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