Warum starb Palästinas Botschafter? Der tödliche Tresor in Prag

Prag · Dschamal al-Dschamal galt als erfahrener Diplomat. Am Neujahrstag wollte der Palästinenser einen Tresor in seinem Wohnzimmer öffnen, vielleicht um Inventur zu machen. Er bat seine Frau noch, Stift und Papier zu holen, um den Inhalt zu notieren. Als sie zurückkam, erschütterte eine Explosion das Wohnzimmer im Prager Vorort Suchdol. Al-Dschamal starb an seinen schweren Verletzungen.

 Dschamal al-Dschamal ist in Prag gestorben.

Dschamal al-Dschamal ist in Prag gestorben.

Foto: ap, Michal Krumphanzl

Das ist der Tathergang, wie ihn tschechische Zeitungen am Donnerstag schilderten. Allerdings blieben auch einen Tag nach der mysteriösen Explosion noch viele Fragen offen. Warum öffnete Al-Dschamal den Tresor an einem Feiertag? Warum war der Safe mit Sprengstoff gegen Einbrecher gesichert, wie die Polizei nach einer ersten Begehung des Tatorts vermutete? Der wichtigste Zeuge sei tot, sagte eine Sprecherin der Ermittler.

"Wenn er (Al-Dschamal) gewusst hätte, was in dem Tresor war, wäre er weit vorsichtiger gewesen", sagt Nahost-Experte Bretislav Turecek der Nachrichtenagentur dpa. "Auch einen Anschlag würde ich nicht völlig ausschließen", meint der frühere Jerusalem-Korrespondent des tschechischen Rundfunks. Al-Dschamal habe seine Karriere noch unter Jassir Arafat begonnen, sei aber später auch für das gemäßigte Lager unter Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas annehmbar gewesen. "Man kann sagen, dass er ein konfliktscheuer Mensch war", meint Dozent Turecek, der Al-Dschamal persönlich kannte.

Palästinensische Vertreter widersprechen sich in ihren Erklärungsversuchen. Noch am Unglückstag hatte Außenminister Riad Malki behauptet, der Safe habe über Jahrzehnte unberührt in einer Ecke gestanden. Damals gab es noch keine Botschaft in Prag, nur eine Dependance der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO, die auch einen militärischen Arm hatte.

"Es könnte ein Überbleibsel dieser alten Ära sein", meint Nahost-Experte Turecek. Al-Dschamals Vorgänger hatte Prag im Sommer verlassen - und möglicherweise den Sprengstoff seinem Nachfolger hinterlassen. "Ohne Zweifel wäre es nicht die einzige Botschaft (in Prag), die Waffen oder andere Dinge aufbewahrt", meint Turecek.

Doch Botschaftssprecher Nabil al-Fahel widersprach im Rundfunk dieser Vermutung: Der Safe sei regelmäßig benutzt worden, um Geld für den Zahlungsverkehr der Botschaft zu lagern. Malki müsse den Tresor mit einem anderem in einem Nachbargebäude verwechselt haben. Sprengstoffexperten der Polizei stellten fest, dass von dem zweiten Panzerschrank keine Gefahr ausging.

"In jedem Fall ist das (Sprengstoff) etwas, was in keiner Botschaft etwas zu suchen hat, und wir werden uns weiter damit befassen", betonte Polizeipräsident Martin Cervicek vor laufenden Fernsehkameras. Mehr als 50 Einwohner der umliegenden Häuser hatten aus Sicherheitsgründen für Stunden ihre Wohnungen verlassen müssen, konnten aber inzwischen zurückkehren.

Dass Palästina von Tschechien als Staat mit eigener Botschaft anerkannt wird, hat vor allem historische Gründe. "Ein palästinensischer Staat wurde im Jahr 1988 formal ausgerufen, und die damals noch kommunistische Tschechoslowakei erkannte ihn an", erklärt Turecek. Das eigentlich als pro-israelisch geltende Tschechien übernahm als Nachfolgestaat 1993 den Status quo. Immer wieder gibt es Stimmen, die Botschaft zu schließen. Doch Nahost-Experte Turecek meint: "Tschechien möchte zumindest den Eindruck erwecken, dass es im Nahostkonflikt unparteiisch ist."

(dpa)
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