Wahlen am Sonntag Der spanische Patient

Madrid/Düsseldorf · Die Wirtschaft stagniert, die Arbeitslosigkeit schlägt alle Rekorde, das Schuldenproblem spitzt sich zu. Folge: Den regierenden spanischen Sozialisten droht bei der Parlamentswahl an diesem Sonntag ein Debakel. Der neue starke Mann ist Antworten auf die drängenden Fragen bisher schuldig geblieben.

Mariano Rajoy (56) gilt als fleißig, intelligent und stinklangweilig. Dem Chef der spanischen Konservativen fehlt jedes Charisma. Trotzdem wird er wohl bei den Parlamentswahlen am Sonntag für seine Partei den höchsten Sieg seit dem Ende der Franco-Diktatur in den 70er Jahren einfahren. Der blasse Rajoy ist für viele Spanier zur letzten Hoffnung geworden. Ihr Land steckt in der schwersten Wirtschaftskrise seit dem Krieg. Und den seit 2004 regierenden Sozialisten von Ministerpräsident José Luis Rodriguez Zapatero traut kaum noch ein Spanier zu, sie könnten das Land vor dem Absturz retten.

Zapatero selbst hat schon das Handtuch geworfen. Er tritt nicht mehr an. Um Spanien aus dem Visier der Finanzmärkte zu bringen, hatte er rund zehn Milliarden Euro Einsparungen durchgedrückt. Eine Schuldenbremse nach deutschem Vorbild wurde in die Verfassung geschrieben. Aber es half nichts: Gestern kletterten die Zinsen für spanische Staatsanleihen auf einen neuen Höchststand und näherten sich gefährlich der Sieben-Prozent-Marke, ab der ein Land als reif für den europäischen Rettungsschirm gilt, weil es sich aus eigener Kraft nicht mehr finanzieren kann.

Zapatero ist der Sündenbock

Die ebenso harten wie erfolglosen Einschnitte haben den smarten Zapatero seine Popularität gekostet. Heute werfen viele der 44 Millionen Spanier dem einstigen sozialistischen Strahlemann vor, nicht schnell und entschlossen genug auf die Krise reagiert zu haben. Dabei ist Spaniens Staatsverschuldung – anders als etwa in Griechenland oder in Italien – gar nicht das Hauptproblem. Die Schwäche des Landes resultiert vor allem aus dem Zusammenbruch der Bauwirtschaft, die zehn Jahre lang die Lokomotive der spanischen Volkswirtschaft gewesen war. Als im Zuge der Finanzkrise 2007 ähnlich wie in den USA auch in Spanien eine gewaltige Immobilienblase platzte, kostete das sofort Hunderttausende Jobs und löste eine private Verschuldungswelle aus. Bis heute hat sich die spanische Wirtschaft von dieser Bruchlandung nicht erholt.

Die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist katastrophal. Mit mehr als 21 Prozent hat Spanien die höchste Arbeitslosenquote aller EU-Länder, unter den jungen Spaniern ist sogar fast jeder Zweite ohne Job. Viele Arbeitslose schlagen sich mit Schwarzarbeit durch, andere überleben nur durch die Hilfe von Angehörigen. Ohne die starke familiäre Solidarität wäre die spanische Gesellschaft in dieser schwierigen Lage nach der Einschätzung vieler Beobachter längst implodiert. Wie lange der soziale Kitt noch hält, wagt allerdings niemand zu prophezeien.

Sparen allein ist keine Lösung

Besserung ist nicht in Sicht, solange die Konjunktur nicht wieder anspringt. Doch bisher spähen die Spanier vergeblich nach einem Silberstreif am Horizont. Weil die Regierung in Madrid nach dem Immobilien-Crash die spanischen Banken nicht zu einer Bereinigung ihrer Bücher verpflichtet hatte, belasten faule Kredite bis heute die Finanzbranche. Spaniens Notenbank schätzt die Summe der zweifelhaften Immobilienwerte in den Bankbilanzen auf 176 Milliarden Euro.

Fatale Folge: Weil die Banken den Ausfall vieler Darlehen befürchten, verleihen sie kaum noch frisches Geld. Die Kreditklemme ist zu einer gefährlichen Bremse für das ohnehin schüttere Wirtschaftswachstum geworden. Für den Fall eines Wahlsiegs hat Rajoy angekündigt, dass er bei den Banken aufräumen will. Seine konservative Volkspartei (PP) kündigte außerdem weitere Einschnitte an, um 2012 das staatliche Defizit auf 4,4 Prozent der Wirtschaftsleistung zu drücken. Die Schere soll praktisch überall angesetzt werden, außer bei den Renten, der Gesundheit und der Bildung.

Aber eisernes Sparen der Regierung in Madrid allein wird das Land nicht aus der Krise bringen, zumal die 17 weitgehend autonomen spanischen Regionen munter weiter Geld ausgeben und zusätzliche Steuereinnahmen nicht in Sicht sind. Einzig das derzeit brummende Tourismus-Geschäft gibt Anlass zur Hoffnung und bewahrt Spanien vor noch schlimmeren Zuständen.

(RP/pst)
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