Britischer Liberaldemokrat Nick Clegg Der lachende Dritte?

Düsseldorf/London (RPO). In einer Woche wählen die Briten ein neues Unterhaus. Das Rennen ist offen wie lange nicht mehr. Am Donnerstagabend steuert der Wahlkampf auf seinen vorläufigen Höhepunkt zu: Im dritten TV-Duell stehen sich Premierminister Brown und seine beiden Konkurrenten zum letzten Mal gegenüber. Dabei richten sich alle Augen auf den Liberaldemokraten Nick Clegg, der die britische Politik derzeit kräftig aufmischt.

Gordon Brown - Englands Premier
11 Bilder

Gordon Brown - Englands Premier

11 Bilder
Foto: AFP

Vor zwei Wochen war Nick Clegg der große Unbekannte der britischen Politik. Doch dann kam das erste TV-Duell, bei dem der Chef der Liberaldemokraten gegen Premierminister Gordon Brown und Oppositionsführer David Cameron deutlich punkten konnte. Clegg wurde seinerzeit ins Rampenlicht katapultiert, weil er sich geschickt und doch authentisch als Alternative zu den großen Parteien verkaufte.

In den Medien und der Bevölkerung kommt der 43-Jährige gut an: Von einem britischen Obama und "Cleggstase" ist vielerorts die Rede. Der Hoffnungsträger rechnet sich inzwischen selbst Chancen aus, nach dem Urnengang am 06. Mai in die Downing Street einzuziehen.

Auch wenn es derzeit nicht wahrscheinlich ist - ganz ohne Chance ist Clegg nicht. Wegen des britischen Mehrheitswahlrechts kann eine Partei im Parlament über prozentual deutlich mehr Mandate verfügen als es ihrem Stimmenanteil entspricht - andere Parteien können umgekehrt unterproporzional vertreten sein. So stellte Labour nach den zurückliegenden Wahlsiegen deutlich mehr Abgeordnete im Londoner Unterhaus, als das prozentuale Stimmergebnis vermuten ließ. Die "LibDems" hingegen kamen auf 22 Prozent der Stimmen, aber nur zehn Prozent der Sitze.

Furcht vor Hängepartie

Aufgrund der knappen Mehrheitsverhältnisse könnte es in diesem Jahr zum ersten Mal seit 1974 zur Bildung einer Koalitionsregierung kommen. Wegen des Mehrheitswahlrechts sind diese in Großbritannien die Ausnahme. Nach einem Patt bei der Wahl am Donnerstag in einer Woche wäre sie aber die Alternative zu einer Minderheitsregierung - und vor einem "hung parliament" fürchten sich die Briten. Dann hätte Brown gute Karten, trotz massiver Stimmverluste im Amt zu bleiben: Das britische Wahlrecht sieht vor, dass bei unklaren Mehrheiten die Initiave zur Regierungsbildung beim amtierenden Premierminister liegt.

Einer Umfrage des Instituts YouGov zufolge liegen Labour und die Liberaldemokraten derzeit mit je 29 Prozent gleich auf - wobei dies 279 Sitzen für die Sozialdemokraten und nur 88 für die Liberaldemokraten entspräche. Die Tories kämen mit landesweit 34 Prozent auf 251 Parlamentarier.

Clegg könnte dieses Mal den Ausschlag geben. Die Wähler haben nach 13 Jahren genug von Labour und dem unpopulären Premier Brown. Auf der anderen Seite misstrauen die Briten dem elitär wirkenden Cameron, der lange Zeit als sicherer Sieger galt. Dabei kommt Clegg wie sein Tory-Pendant aus einer Upper-Class-Familie und besuchte Eliteschulen.

Politischer Senkrechtstarter

In die Niederungen der britische Politik hat sich der Senkrechtstarter erst 2005 begeben. Da holte der Sohn eines halbrussischen Bankiers und einer niederländischen Mutter seinen Wahlkreis in Nordengland mit Kritik am britischen Engagement im Irak-Krieg. Damit zog er viele verärgerte Labour-Wähler auf seine Seite. Keine zwei Jahre später stand der mit einer spanischen Anwältin verheiratete Politiker, der fünf Fremdsprachen spricht, an der Spitze der Liberal-Demokraten.

Seither wirbt der linksliberale Clegg für eine grundlegende Reform des politischen Systems. Unter britischen Parteichefs gilt er als der europafreundlichste Politiker, der sich sogar für die Einführung des Euro erwärmen könnte. Das hat ihn zwar Sympathie bei den Freunden des Pfunds gekostet, die er an anderer Stelle aber mit der Kritik an den Banken und deren Rolle in der schweren Wirtschaftskrise wieder gewann. In der Innen- und Außenpolitik konnte Clegg mit seinen Positionen bei den erstmals durchgeführten TV-Duellen immerhin punkten.

Am Donnerstagabend steht jedoch ein äußerst pikantes Thema auf dem Plan: Wirtschaft. Das britische Haushaltsdefizit bewegt sich in annähernd griechischen Dimensionen, doch konkrete Lösungsvorschläge machte bisher keiner der Kandidaten. Dabei muss der künftige Premierminister das gigantische Loch von 11,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes dringend in den Griff bekommen. Steuererhöhungen und/oder ein straffes Sparprogramm gelten von daher als unausweichlich.

Mit Agenturmaterial.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort