Obamas neue Atompläne Der Knackpunkt steht im Kleingedruckten

Washington (RPO). US-Präsident Barack Obama stellt heute die neue Atomwaffenpolitik der USA vor. Amerika verpflichtet sich darin, auf Angriffsdrohungen mit Nuklearwaffen weitgehend zu verzichten. Obama vollzieht damit eine schroffe Abkehr von der Doktrin seines Vorgängers George W. Bush. Das Vorhaben ist in den USA umstritten. Ob sie zudem die Sicherheitslage der Welt tatsächlich verbessern kann, bleibt fraglich. Denn es sind Ausnahmen geplant.

Welche Länder die Atombombe haben
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Foto: ddp

Die US-Regierung lancierte bereits vor der Präsentation der Pläne weitgehende Einzelheiten in der "New York Times". Obama erklärte, Amerikas Atomwaffen sollen künftig lediglich als Abschreckung oder Reaktion auf nukleare Angriffe anderer Atommächte ins Spiel kommen. Bei einem Angriff auf die USA mit konventionellen, biologischen oder chemischen soll ausdrücklich nicht mit Atomwaffen zurückgeschlagen werden. Nicht-Atomstaaten, die sich an den Atomwaffensperrvertrag halten, sollen Amerikas Atomwaffen nicht mehr fürchen müssen. "Ausreißer", so der Präsident wörtlich, wie der Iran oder Nordkorea, seien von der Zusage der USA aber ausgeschlossen.

Für die USA ist diese Strategie eine Revolution. Erstmals begrenzt Washington sein eigenes militärisches Potential. Im Falle eines Angriffs auf die USA will die Regierung freiwillig auf ihre bedrohlichste Waffe verzichten. Sein Vorgänger Bush hatte nach den Anschlägen vom 11. September die Nukleardoktrin seines Landes noch verschärft. Die Atomwaffen der USA sollten damals "eine weites Spektrum von Bedrohungen abschrecken" und auch bei konventionellen Angriffen auf die USA eingesetzt werden.

Iran und Nordkorea bleiben Ausnahmen

Die neue Strategie ist in den USA umstritten. Um sich auf ein Papier zu verständigen, waren nach Informationen der "New York Times" 150 Beratungstreffen auf höchster Ebene nötig. Dreißig dieser Treffen wurden direkt vom Nationalen Sicherheitsrat einberufen. Die Debatte wird hitzig geführt. Konservative werfen Obama vor, Amerikas mächtigste Waffe leichtfertig aus der Hand zu geben. Liberale Demokraten wünschten sich hingegen eine noch eindeutigere Aussage: Die USA sollen generell auf Atom-Angriffe verzichten. Ausnahmen für Iran oder Nordkorea lehnen sie ab.

Obamas Ankündigung ist dabei vor allem eine diplomatische Offensive. Am Donnerstag will der Präsident in Prag einen neuen Waffenkontrollvertrag mit Russland unterschreiben. Beide Seiten sollen darin die Zahl ihrer atomaren Langstreckenwaffen von 2200 auf 1500 verringern. Den Partnern bleiben nach der Ratifizierung jedoch sieben Jahre Zeit, die vereinbarten Ziele umzusetzen. Zudem müssen beide Parlamente noch zustimmen. Kommende Woche empfängt Obama dann 47 Regierungschef in Washington zu einem Gipfel über nukleare Sicherheit. Und dort will der US-Präsident konkrete Ergebnisse präsentieren.

Nordkorea und Iran

Vor genau einem Jahr hatte Obama in der tschechischen Hauptstadt in einer viel beachtete Rede von einer Welt ohne Atomwaffen gesprochen. "Alles in dieser Welt hängt von der Frage der Abrüstung ab, wir müssen dafür einstehen, dass die Menschen im 21. Jahrhundert ohne Angst leben können", rief Obama damals der jubelnden Masse zu. Sein Land selbst wolle als Vorbild vorangehen. Dieses Versprechen versucht Obama nun offenbar einzulösen.

Obamas größtes Problem dürfte die neue Doktrin jedoch nicht lösen. Den Atomwaffensperrvertrag, der Staaten zur Nichtverbreitung und Abrüstung nuklearer Waffen verpflichtet, haben von den Atommächten bisher nur USA, Russland, Frankreich, Großbritannien und China unterschrieben. Indien, Israel, Nordkorea und Pakistan lehnen den Vertrag ab.

Nordkorea und der Iran versuchen derzeit aktiv an Atomwaffen zu kommen. Beide Länder dürften sich von Obamas Reform nur bedingt beeindrucken lassen. Wenn beide Länder auf lange Sicht über Atomwaffen verfügen, könnte Obamas Vorstoß von heute also wertlos werden. Den "Ausreißern" drohen die USA weiterhin mit ihrer mächtigsten Waffe.

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