Rechtsextreme in Frankreich Der gefährliche Charme der Marine Le Pen

(RP). Bei mehr als 30 Prozent der Franzosen steht die rechtsextreme Präsidentschaftskandidatin hoch im Kurs für die Wahl im kommenden Jahr. Die Tochter von Jean Marine Le Pen will Rechtsradikale aus der "Front National" verdrängen und die Partei modernisieren. Jetzt ist aber eine neue Biografie über Marine Le Pen erschienen, die am neuen Image zweifelt.

Front National - die französischen Rechtsextremen
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Foto: AFP

Als Schilfrohr, das sich biegen, aber nicht beugen lässt und nie bricht, als jemand, der gegen den Strom schwimmt — so sieht sich Marine Le Pen selbst. "Gegen den Strom" hatte die Vorsitzende der französischen Front National (FN) auch ihre Autobiografie überschrieben, in der sie erzählt, wie sie von klein auf mit dem öffentlichen Druck und dem "Status der Tochter von Le Pen" zurechtkommen musste, dem allmächtigen Vater, von dem sie im Januar den Parteivorsitz übernommen hat. Seitdem versucht die 42-Jährige die Partei zu "entdämonisieren", galt die FN doch unter Jean Marie Le Pen vielen Franzosen noch als unwählbar.

"Der FN wird das Haus der Franzosen"

"Die FN wird das große Haus der Franzosen, offen für alle", versprach die geschiedene, dreifache Mutter bereits in ihrer Antrittsrede und strahlte dabei, wie sie es so oft tut, in ihrem eleganten schwarzen Kostüm. Mit ihrem Lächeln, dem blonden Haar, der Raucherstimme und telegenen Auftreten gilt sie immer mehr Bürgern in Frankreich als sympathisch. Nicht nur verkörpert sie eine andere Generation als ihr Vater, auch schlägt sie einen weit moderateren Ton an und vermeidet tunlichst Anspielungen auf das Dritte Reich.

Mit modernem Image und der Hinwendung zu Alltagsproblemen versucht Marine Le Pen, die FN einer breiteren Wählerschicht zu öffnen und sich und ihre Partei bei der Präsidentschafts- und Parlamentswahl im nächsten Jahr an die Macht zu führen. Jüngster Coup: Skinheads, die früher unter anderem von der Partei als Ordnungskräfte eingesetzt wurden, sollen aus der Partei gedrängt werden. Und als ein FN-Kandidat der Kantonalwahlen im vergangenen März den Arm zum Hitlergruss hoch streckte, wurde dieser kurzerhand seiner Kandidatur enthoben.

Es gilt, das Bild der FN zu normalisieren. Dabei kommen ihr auch die laufenden Affären zu gute: Als der designierte sozialistische Präsidentschaftskandidat und IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn wegen des Verwurfs des sexuellen Übergriffs festgenommen wurde, erklärte Le Pen als eine der ersten, was in Frankreich zu diesem Zeitpunkt viele dachten, sich aber noch nicht auszusprechen trauten: "Strauss-Kahn hat sich als Kandidat für das höchste Amt im Staat diskreditiert." Und als der bisherige Staatssekretär für den öffentlichen Dienst, George Tron, von zwei früheren Mitarbeiterinnen sexueller Übergriffe bezichtigt wurde, forderte sie lautstark dessen Rücktritt — was auch passierte.

Chancen bei der Präsidentschaftswahl

In Umfragen haben inzwischen 24 bis 30 Prozent der Franzosen eine positive Meinung von Le Pen. Bei der Präsidentschaftswahl 2012 könnte sie sogar in die Stichwahl einziehen und sich den Wählern als Vertreterin einer "modernisierten" FN empfehlen, der es vor allem um soziale und wirtschaftliche Fragen gehe und um den allgemeinen Werteverfall.

Hat Marine Le Pen sich also tatsächlich vom Vater losgesagt? "Nein", sagt Jérôme Fourquet vom Meinungsforschungsinstitut Ifop. "Die Grundüberzeugung bleibt, nur die Kommunikation hat sich geändert." Zu diesem Schluss kommt auch die "Le Monde"-Journalistin Caroline Fourest. In ihrem neuen Buch (Marine Le Pen) hat sie versucht, hinter die Kulissen zu blicken und in das Leben und Umfeld der Le Pen-Tochter einzutauchen, um zu verstehen, wer diese wirklich ist. "Für sie wird es nie in Frage kommen, sich von ihrem Vater zu distanzieren und den 'moralischen Vertrag', der sie seit ihrer Kindheit mit ihm verbindet, zu brechen", analysiert Fourest.

Ein Attentat gegen das Wohnhaus der Familie 1976, der Weggang ihrer Mutter, als sie 16 Jahre alt war, die "Verteufelung" ihres Vaters durch Öffentlichkeit und Medien; die Beziehung zu Jean-Marie Le Pen, den die Tochter — anders als viele Journalisten — als tolerant und väterlich beschreibt, war tatsächlich immer nah. Fourest zufolge will Marine den Namen des Vaters "rehabilitieren, damit er leichter zu tragen ist".

Wenn Marine Le Pen öffentlich von Laizität (der strikten Trennung von Kirche und Staat) spreche und den Werten der Republik, dann meine sie in Wirklichkeit Nationalismus und Fremdenhass, so Fourest. Wenn von Islamisierung die Rede sei, kritisiere sie tatsächlich die muslimische Einwanderung. Ihr Vater sei nach wie vor ihre "absolute Referenz", glaubt die Journalistin, der Unterschied bestehe in Nuancen, so habe die FN "gelernt, den Fremdenhass in republikanische Argumente zu verkleiden".

Die gelernte Juristin Le Pen erwägt übrigens, gegen Fourest zu klagen und prangert den "hasserfüllten Charakter" des Werks an —unbeugsam, wie das Schilfrohr, das sie so liebt.

(RP)
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