Der Fall Khashoggi Trumps Konflikt mit der CIA

Im Konflikt mit seinen eigenen Geheimdiensten hat US-Präsident Donald Trump die CIA zurückgepfiffen und deren Erkenntnisse über die Hintermänner des Mordes an dem Journalisten Jamal Khashoggi relativiert.

Während der Spionagedienst de facto bestätigte, dass Khashoggi auf Anweisung des saudischen Kronprinzen Mohammed Bin Salman getötet wurde, warnte der US-Präsident vor voreiligen Schlüssen. Bislang habe die CIA noch gar nichts bewertet, „es ist zu früh dafür“, sagte er am Wochenende in Kalifornien, wo er die durch verheerende Waldbrände angerichteten Verwüstungen inspizierte. Nach Trumps Worten will das Weiße Haus erst am Dienstag auflisten, „wer es verursacht und wer es getan hat“.

Zuvor hatte die CIA deutlich gemacht, dass sie in MBS, wie die Amerikaner den Prinzen nennen, mit hoher Wahrscheinlichkeit den Auftraggeber der Tat sieht. Es war ein schwerer Schlag für die Monarchie in Riad, denn erstmals brachte eine amerikanische Regierungsbehörde den starken Mann Saudi-Arabiens direkt in Verbindung mit dem Mordfall. Nach einem Bericht der Washington Post ließen abgehörte Telefonate des saudischen Botschafters in Washington die CIA zu dem Schluss gelangen, dass die Spur zu MBS führt. Demnach rief Khalid Bin Salman, ein Bruder des Kronprinzen, bei Khashoggi an, um ihn in Sicherheit zu wiegen. Er möge sich ins Konsulat in Istanbul begeben, die benötigten Dokumente lägen dort für ihn bereit, er habe nichts zu befürchten, soll er dem Kolumnisten mitgeteilt haben. Zuvor sei der Diplomat von seinem Bruder angewiesen worden, den im Exil lebenden Kritiker des Thronfolgers zu kontaktieren, schreibt die Zeitung unter Berufung auf Geheimdienstquellen.

Nach Ansicht prominenter Senatoren entpuppt sich die Version, wonach die Killer auf eigene Faust handelten, damit endgültig als das Märchen, das sie immer gewesen ist. Trumps Kabinett solle dies nun auch hochoffiziell klären, bevor MBS die Männer, die seine Befehle ausführten, hinrichten lasse, twitterte der Republikaner Bob Corker, der im Januar die politische Bühne verlässt und damit keine Rücksichten auf Parteifreunde mehr nehmen muss. Der skrupellose Mord müsse Konsequenzen haben, verlangt seinerseits der demokratische Senator Richard Blumenthal: “Sanktionen, eine Anklage, den Abgang von MBS und anderen, keine fortgesetzte Vertuschung, wie Trump sie ermöglichte“.

Am 2. Oktober suchte Khashoggi das saudische Konsulat in Istanbul auf, wo er Papiere abholen wollte, die er brauchte, um seine türkische Verlobte heiraten zu können. Türkischen Ermittlern zufolge wurde er kurz nach Betreten des Gebäudes getötet, von einem Killerteam, das eigens zu diesem Zweck eingeflogen war. Sein Leichnam, offenbar zerstückelt, konnte bis heute nicht gefunden werden. Seit der Fall die Welt erschütterte, hat sich Trump aufs Lavieren verlegt, offenkundig darum bemüht, hier und da Kritik zu üben, ohne lukrative Geschäfte infrage zu stellen. Anfangs übernahm er die Version Riads, wonach der Mord auf das Konto von Leuten gehe, die Khashoggi nach Saudi-Arabien zurückbringen sollten und dabei ihre Vollmachten überschritten. Später sprach er vom schlimmsten Vertuschungsversuch der Geschichte. Das mittelöstliche Land, so zog es sich wie ein roter Faden durch seine Statements, sei ein zu wichtiger Rüstungskunde, als dass man auf Distanz zu ihm gehen könnte. Auch am Samstag, da hatte die Nachricht über die CIA-Einschätzung bereits die Runde gemacht, wiederholte er das Motiv und nannte Saudi-Arabien einen „wirklich spektakulären Verbündeten“, wenn es um Jobs und Wirtschaft gehe. „Und ich muss – Sie wissen ja, ich bin Präsident – viele Dinge in Betracht ziehen.“

Trump, schreibt die Washington Post unter Berufung auf namentlich nicht genannte Berater im Weißen Haus, suche nach einem Ausweg, um MBS nicht direkt die Schuld geben zu müssen. Vor allem sein Schwiegersohn Jared Kushner knüpfte enge Kontakte zu dem Prinzen, in dem er einen pragmatischen Modernisierer sah und womöglich noch immer sieht. Und da das Weiße Haus seinen Kurs gegenüber Iran verschärft, würde es auf eine Krise im Verhältnis zum großen regionalen Konkurrenten der Iraner nur zu gern verzichten.

Dass die Meinungen in der Regierungszentrale auseinandergehen, lässt eine Personalie erahnen, die unter anderen Umständen kaum beachtet worden wäre, nun aber für einigen Wirbel sorgt. Mit Kirsten Fontenrose trat am Freitag jene Mitarbeiterin des Nationalen Sicherheitsrates zurück, die für das Verhältnis zu Riad zuständig war. Sie hatte mit Erfolg darauf gedrängt, auch Saud al-Qahtani, einen Spitzenberater von MBS, auf die Liste von 17 Saudis zu setzen, gegen die wegen des Mordes an Khashoggi Sanktionen verhängt wurden. Ob sie dafür im Nachhinein einen Preis zahlen musste, ist eine der Fragen, über die man in Washington gerade sehr heftig diskutiert.

Eine bemerkenswerte Randnotiz zu dem ganzen Fall: Trump hat den Inhalt einer Tonbandaufnahme zur Tötung Khashoggis als "schrecklich" beschrieben. Er sei über die Aufnahme umfassend informiert worden und wisse genau, was passiert sei, sagte Trump in einem am Sonntag ausgestrahlten Interview mit Fox News. "Es war sehr gewalttätig, sehr bösartig und schrecklich." Er wolle sich den Mitschnitt aber nicht persönlich anhören, weil es eine "Aufzeichnung des Leidens" sei.

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