Konflikt am Golf Der Iran spielt mit hohem Risiko

Teheran/Berlin · Analyse Provozieren und Gesprächsbereitschaft zeigen – im Konflikt mit dem Westen an der Straße von Hormus verfolgt Teheran eine Doppelstrategie. Im Geheimen gibt es Kontakte zu den Amerikanern. Trotzdem ist mit weiteren Vorfällen zu rechnen.

 Dieses Foto aus einem iranischen Video zeigt Mitglieder der Revolutionsgarden, die sich auf den britischen Tanker „Stena Impero“ abseilen.

Dieses Foto aus einem iranischen Video zeigt Mitglieder der Revolutionsgarden, die sich auf den britischen Tanker „Stena Impero“ abseilen.

Foto: dpa/Revolutionary Guard

Vermummte Revolutionsgardisten seilen sich aus einem Hubschrauber auf das Deck der „Stena Impero“ ab, während Schnellboote mit flatternden Fahnen das Schiff umkreisen: Ein vom Iran veröffentlichtes Video feiert die Beschlagnahmung des britischen Öltankers in der Straße von Hormus am Wochenende als Husarenstück  – und als Beweis iranischer Macht in der wichtigsten Wasserstraße des internationalen Ölhandels.

Großbritannien wirft den Iranern vor, die Situation am Golf weiter eskalieren zu lassen. Das ist tatsächlich ein Teil der iranischen Taktik. Teheran will mit Blick auf mögliche Verhandlungen mit dem Westen die eigene Stärke demonstrieren. Es ist ein Spiel mit hohem Risiko.

Seit die USA im Mai die Ölsanktionen gegen Teheran verschärften, um die iranischen Ausfuhren möglichst auf null zu bringen, wird die Lage im Persischen Golf immer bedrohlicher. US-Präsident Donald Trump will mit den Sanktionen erreichen, dass der Iran strikteren Auflagen für sein Atomprogramm zustimmt. Teheran reagiert mit Angriffen auf die Schifffahrt im Golf und mit der Verletzung von Bestimmungen des Atomvertrages aus dem Jahr 2015.

Die Beschlagnahmung der „Stena Impero“ ist das jüngste Beispiel dafür, aber wird nicht unbedingt das letzte bleiben. Mit der Aktion rächte sich der Iran für die Festsetzung eines iranischen Tankers durch die Behörden im britischen Gibraltar.

Die Angriffe erhöhen die Gefahr einer militärischen Auseinandersetzung. Bei der „Stena Impero“ ignorierten die Revolutionsgarden die Warnung eines britischen Kriegsschiffes, wie die BBC meldete. Wenn die Fregatte „HMS Montrose“ eingegriffen hätte, wären womöglich Schüsse gefallen. Die USA wollen eine internationale Marine-Allianz zur Überwachung des Schiffsverkehrs im Golf schaffen – mit der Möglichkeit der Intervention.

Die iranischen Provokationen sind kein Selbstzweck. Sie sollen dem Westen demonstrieren, dass der Iran zuschlagen kann, wo es wehtut: bei der Ölversorgung. Außenminister Dschawad Sarif bezeichnete den Iran als Wächter über den Golf und die Straße von Hormus.

Sarif gibt aber nicht nur den Scharfmacher. Der 59-Jährige kennt den Westen und spielt auf der Klaviatur von Drohung und Gesprächsbereitschaft. Kurz vor seiner Äußerung über die Wächterrolle des Iran im Golf hatte er den Amerikanern ein Entgegenkommen angeboten.

Die USA kennt Sarif seit seiner Teenager-Zeit. Er ging in Amerika zur Schule und zur Universität und begann seine Karriere als Mitarbeiter der iranischen Botschaft bei der Uno. Im Lauf der Jahre war er an vielen diskreten Gesprächen zwischen den Erzfeinden Iran und USA beteiligt. Als Außenminister ist Sarif einer der Väter des Atomabkommens von 2015 – dass der versprochene Wirtschaftsaufschwung nach dem Abschluss ausgeblieben ist, hat seine Stellung im Iran stark geschwächt. Wegen der Angriffe der Hardliner auf ihn erklärte er im Februar vorübergehend seinen Rücktritt.

In den vergangenen Tagen nutzte Sarif einen Besuch im UN-Hauptquartier für Kontakte, die bei den Bemühungen um Entspannung noch wichtig werden könnten. Vor allem ein Name lässt aufhorchen: der des republikanischen US-Senators Rand Paul. Präsident Donald Trump teilte mit, dass Paul mit seinem Segen versuchen will, mit den Iranern ins Geschäft zu kommen.

Nach unbestätigten Berichten setzten sich Paul und Sarif in New York zusammen. Dem Sender Fox News sagte Paul, es gebe die Aussicht auf eine neue Vereinbarung über einen endgültigen Verzicht Teherans auf Atomwaffen. Fast gleichzeitig sagte Sarif, der Iran könne ein Protokoll ratifizieren, das strengere Kontrollen der internationalen Atombehörde IAEA ermöglichen würde. Voraussetzung sei die Aufhebung der US-Sanktionen. Zur Deeskalation könnte auch eine Entscheidung Saudi-Arabiens beitragen, einen iranischen Tanker freizugeben.

Selbst erfahrenen Diplomaten wie Sarif gelingt allerdings nicht alles. Ein Scheitern des iranischen Balanceaktes könnte geradewegs zum Krieg führen. Das befürchtet unter anderem Sarifs deutscher Kollege Heiko Maas. Der Bundesaußenminister warnte in der „Bild am Sonntag“ vor „einer möglicherweise unkontrollierbaren militärischen Eskalation“.

Maas weiß sich in seinen Sorgen einig mit Wirtschaftsvertretern. So warnt die deutsch-iranische Industrie- und Handelskammer vor einer weiteren Eskalation und wirtschaftlichen Schäden. „Die Erwartungen der Wirtschaft richten sich in erster Linie an die beiden Hauptakteure USA und Iran“, sagte die Delegierte der deutschen Wirtschaft im Iran, Dagmar von Bohnstein, unserer Redaktion. „Von ihnen muss ein Signal ausgehen zu Verhandlungen, das der Wirtschaft eine positive Perspektive verschafft.“

Nach Angaben der Außenhandelskammer wirken die Sanktionen gegen den Iran; dessen Wirtschaft gehe es zunehmend schlechter. Für 2019 wird demnach ein Rückgang des Wirtschaftswachstums um sechs Prozent erwartet. Die Inflation liegt im Jahresdurchschnitt 2019 voraussichtlich bei 37 Prozent. Die größte Einbuße für das Land sei der fast vollständige Ausfall des Erdölverkaufs aufgrund der US-Sanktionen, sagte von Bohnstein. Gleichzeitig leide der inländische wie ausländische Privatsektor unter zunehmender staatlicher Regulierung, mangelnder Rechtssicherheit, Korruption und Schmuggel. „Wirtschaftliche Reformen und Öffnung werden aufgrund des Drucks von außen im Keim erstickt, protektionistische Tendenzen nehmen zu“, beklagte von Bohnstein. So sei der deutsch-iranische Handel in den ersten fünf Monaten 2019 um fast 50 Prozent zurückgegangen, auf 666 Millionen Euro.

Zugleich bezeichnete die Geschäftsführerin der Handelskammer den Umgang der iranischen Bevölkerung sowie der Deutschen vor Ort mit der Krise als stoisch. Das Leben gehe seinen gewohnten Gang und es herrsche die Überzeugung, dass keine Seite willentlich eine kriegerische Auseinandersetzung herbeiführe, sagte von Bohnstein. „Auch ist den Menschen das Ungleichgewicht der militärischen Stärke des Iran und der USA sehr bewusst.“ Nach allgemeiner Einschätzung würden die Provokationen im Persischen Golf – also die Tanker-Vorfälle – lediglich den Preis von Verhandlungen hochtreiben und diese verzögern.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort