Sacharow-Preisträger 2014 Denis Mukwege — Arzt und Kämpfer für vergewaltigte Frauen

Bukavu · Seit Jahren setzt sich Denis Mukwege für Frauen ein, die in seiner von wiederholten Bürgerkriegen zerrissenen Heimat Kongo Opfer von Vergewaltigungen wurden. Für sein Engagement hat der 59-jährige Gynäkologe am heutigen Mittwoch den Sacharow-Preis für Menschenrechte des Europaparlaments erhalten.

 Denis Mukwege bei der Verleihung des Sacharow-Preises mit EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (v.l.).

Denis Mukwege bei der Verleihung des Sacharow-Preises mit EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (v.l.).

Foto: afp, ff

Mukwege setze als Arzt alles daran, den Opfern von Vergewaltigungen zu helfen, sagte Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) bei der Würdigung des Preisträgers. "Anstatt wegzusehen sind Sie zu einem furchtlosen Mann geworden, der das Leid zahlloser Frauen und Mädchen gelindert hat."

Der Körper von Frauen sei im Kongo ein "regelrechtes Schlachtfeld" geworden, sagte Mukwege selbst über seine Erfahrungen. Massenvergewaltigungen würden als "Kriegswaffe" benutzt, sie seien Teil einer "schrecklichen Strategie der Kriegsführung", betonte der Gynäkologe, der in Begleitung seiner Frau nach Straßburg gekommen war. Im Kongo vergehe kaum ein Tag ohne menschliche Dramen, sagte der Arzt. Schwangeren Frauen werde der Bauch aufgeschlitzt, ihre ungeborenen Kinder würden zerstümmelt. Insgesamt seien im Kongo mehrere hunderttausend Frauen vergewaltigt worden, sagte Mukwege.

"Wie können wir als Menschen dazu schweigen?" Überall in der Welt würden solche Verbrechen Entrüstung hervorrufen. Doch im Kongo würden diese Gräueltaten als "Nebensache" betrachtet, sagte der Preisträger. Dies zeige, wie sehr die kongolesische Gesellschaft durch zu viel Gewalt traumatisiert sei.

Nach Anschlag auf sein Haus zunächst im Exil

1989 hatte Mukwege eigens im Panzi-Hospital von Bukavu (Provinz Süd-Kivu) mit dem Aufbau einer Station für Gynäkologie und Frauenheilkunde begonnen. Längst gilt Mukwege als weltweit führender Experte für die Behandlung von Verletzungen, die durch Gruppenvergewaltigungen sowie durch gezielte physische Unterleibsschändungen verursacht wurden.

Dieser Arzt hat Wunden geheilt, wie Gynäkologen in anderen Teilen der Welt sie wohl nie oder nur höchst selten zu sehen bekommen: Unterleibsverletzungen, die mit Gewehrläufen, Bajonetten oder auch abgebrochenen Flaschen angerichtet wurden. Immer wieder bemüht sich der im Kongo und in Frankreich ausgebildete Mediziner auch, neben den physischen die psychischen Wunden der gequälten Mädchen und Frauen zu heilen. Er gilt weltweit als Spezialist für das Rekonstruieren von weiblichen Geschlechtsorganen. Als aktiver Menschenrechtler setzt er sich zudem auf politischer Ebene dafür ein, dass Verbrechen gegen die Menschlichkeit stärker verfolgt werden.

Das hätte Mukwege wohl fast das Leben gekostet. Wenige Wochen, nachdem er bei einer UN-Konferenz ein Ende der Straflosigkeit für Gruppenvergewaltigungen und mehr internationales Engagement zur Beendigung der bewaffneten Konflikte in seiner Heimat gefordert hatte, überfielen Bewaffnete im Oktober 2012 sein Haus in Bukavu. Um ein Haar wäre er bei dem Anschlag von einer Kugel getroffen worden. Einer seiner langjährigen Mitarbeiter wurde von den Angreifern erschossen. Mukwege ging daraufhin ins Exil nach Europa. Doch bald erreichten ihn Berichte, dass die Klinik ohne ihn kaum zurecht kommt. Anfang 2013 kehrte er nach Bukavu zurück — und wurde von den Einwohnern mit Jubel empfangen.

Appell des Arztes an die EU

Auch jetzt, bei seiner Ehrung mit dem Sacharow-Preis, jubelte ihm eine Delegation von kongolesischen Frauen auf der Besuchertribüne singend und tanzend zu. Mukwege selbst appellierte an die EU, bei Wirtschaftsabkommen mit seinem Land konsequenter auf die Achtung von Menschenrechten und Demokratie zu achten. Der Straflosigkeit müsse ein Ende gesetzt werden, betonte der Arzt, der sich seit Langem dafür einsetzt, Massenvergewaltigungen während bewaffneter Konflikte als "Kriegswaffe" einzustufen. Vergewaltigungen, die von Befehlshabern angeordnet würden, seien Kriegsverbrechen und müssten als solche bestraft werden, forderte auch Schulz.

Der nach dem verstorbenen russischen Dissidenten und Physiker Andrej Sacharow benannte und mit 50.000 Euro dotierte Preis wird seit dem Jahr 1988 an Persönlichkeiten oder Organisationen verliehen, die sich für Menschenrechte und Demokratie einsetzen.

Im vergangenen Jahr ging der Preis an die bei einen Taliban-Anschlag lebensgefährlich verletzte pakistanische Kinderrechtsaktivistin Malala Yousafzai. Sie erhielt dieses Jahr auch den Friedensnobelpreis. Andere Träger des Sacharow-Preises waren der ehemalige südafrikanische Präsident Nelson Mandela, der Vater des Prager Frühlings, Alexander Dubcek, der chinesische Dissident Wei Jingsheng, die myanmarische Oppositionspolitikerin Aung San Suu Kyi und der kubanische Bürgerrechtler Guillermo Fariñas.

(dpa/AFP)
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