Machtwechsel in der Ukraine? Demonstranten behaupten: "Wir regieren Kiew!"

Unübersichtliche Lage in der Ukraine: Die Demonstranten vom Maidan-Platz in Kiew behaupten, die "volle Macht" in der ukrainischen Hauptstadt übernommen zu haben. Präsident Janukowitsch soll sich bereits auf dem Rückzug befinden. Die Demonstranten fordern seinen Rücktritt noch an diesem Samstag.

Kiew: EU-Vereinbarung in Ukraine unterzeichnet – Pressestimmen
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Foto: dpa, tba fpt

Die Polizei habe sich aus dem Regierungsbezirk zurückgezogen, sagte Protestführer Andrej Parubij am Samstag. Die Nacht sei ruhig verlaufen. Präsident Viktor Janukowitsch soll Medienberichten zufolge die Hauptstadt Kiew verlassen und sich am Freitagabend in die im Osten des Landes liegende Stadt Charkow abgesetzt haben. Die Berichte konnten jedoch erst einmal nicht bestätigt werden.

Übergangsregierung soll gebildet werden

Viele Demonstranten fordern auch nach Unterzeichnung des Abkommens zwischen Regierung und Opposition den sofortigen Rücktritt von Janukowitsch. Nach Tagen der Gewalt hatten sich am Freitag die Konfliktparteien auf die Bildung einer Übergangsregierung mit Beteiligung der Opposition binnen zehn Tagen geeinigt. Noch in diesem Jahr soll es vorgezogene Präsidentschaftswahlen geben. Zudem wurde die Verfassung von 2004 wieder in Kraft gesetzt. Darüber hinaus wurde der Weg für die Freilassung der Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko geebnet, auch wenn zunächst offen blieb, wann sie aus dem Gefängnis kommen würde. Allerdings müsste Janukowitsch ein Gesetz, das die Entlassung zur Folge hätte, unterschreiben.

Trotz der Einigung gibt es aber kaum Hoffnung auf einen raschen Frieden. Radikale Demonstranten sowie prorussische Gruppen lehnten das Abkommen zur Beilegung der Krise vehement ab. Oppositionsvertreter wurden am Freitagabend ausgebuht, als sie den Deal auf dem Unabhängigkeitsplatz Maidan präsentieren wollten. Ein radikaler Redner drohte mit einer bewaffneten Offensive, sollte die Opposition nicht auf der Forderung beharren, dass Janukowitsch bis zum heutign Samstagmorgen zurücktrete. Andere Regierungsgegner skandierten mit Bezug auf Janukowitsch: "Tod dem Kriminellen!" Kritisiert wurde auch, dass die Neuwahlen erst im Dezember stattfinden sollen.

"Tod dem Kriminellen"

In Russland wurde das Abkommen kritisiert. Ein hochrangiger Abgeordneter, Leonid Slutski sagte, dies sein ein Versuch des Westens, die Ukraine aus dem Einflussbereich Russlands herauszubekommen. Es sei ganz im Interesse der USA und anderer Mächte ausgefallen, die die Ukraine von Russland trennen wollten. Der russische Vermittler Wladimir Lukin hatte es am Freitag abgelehnt, das Abkommen zu unterzeichnen.

Bei blutigen Straßenschlachten waren in den vergangenen Tagen nach Angaben des Gesundheitsministeriums mindestens 77 Menschen ums Leben gekommen. Die Opposition sprach sogar von an die 100 Todesopfern.


Bürgerkriegsartige Szenen und brennende Barrikaden am Kiewer Unabhängigkeitsplatz Maidan hatten die ganze Welt aufgeschreckt. Unter anderen hatte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier tagelang zwischen der Opposition und Präsident Viktor Janukowitsch vermittelt, bis es zur Einigung kam.

Die Krise in der Ukraine hatte ihren Ausgang genommen, nachdem Janukowitsch ein Assoziierungsabkommen mit der EU auf Eis gelegt und sich stattdessen an Russland angenährt hatte. Das 46-Millionen-Einwohner-Land ist in dieser Frage tief gespalten.
Mehrere Regionen im Westen der Ukraine stehen Janukowitsch seit Monaten in offener Revolte gegenüber, während im Osten viele seinen Kurs unterstützen.

(ap)
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