David McAllister im Interview "Die Briten würden besser in der EU bleiben"

Düsseldorf · Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament will London in der Zollunion halten.

 David McAllister (Archivbild).

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Foto: dpa, tok axs jol

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament, David McAllister, will London in der Zollunion halten. Einen Boykott der Fußball-WM in Russland lehnt er ab.

Herr McAllister, eine vermutlich russische Giftattacke erschüttert Großbritannien. Brauchen wir Sanktionen gegen Russland?

McAllister Es ist das erste Mal seit dem Zweiten Weltkrieg, dass Nervengas in Europa eingesetzt wurde. Moskau trägt sehr wahrscheinlich Verantwortung für diesen Angriff. Auf dem anstehenden EU-Gipfel am Donnerstag ist das Thema auf der Tagesordnung. Wir sollten einerseits besonnen handeln, aber ebenso eine solidarische und entschlossene Antwort geben. Zugleich gilt es, alle Kanäle zu nutzen, damit die russische Regierung diesen Fall aktiv und konstruktiv aufklärt. Bislang hat sie dazu nichts beigetragen.

Sollen wir die WM boykottieren?

McAllister Bereits die Vergabe ist ja politisch nicht unumstritten gewesen. Gleichwohl sollte die WM mit deutscher Beteiligung stattfinden. Dass unter den gegebenen Umständen weder britische Regierungsvertreter noch Mitglieder der königlichen Familie zu den Spielen reisen werden, kann ich allerdings sehr gut nachvollziehen.

Der Brexit ist ein wichtiges Thema auf dem Gipfel. Soll Großbritannien wenigstens im Binnenmarkt und in der Zollunion bleiben?

McAllister Diese Frage kann nur die britische Politik beantworten. Am besten wäre es, die Briten würden ganz in der EU bleiben. Aber es gibt derzeit keine parlamentarische Mehrheit im Unterhaus, die ein dafür notwendiges zweites Referendum beschließen könnte. Ein Verbleib des Vereinigten Königreichs zumindest im Binnenmarkt und in der Zollunion würde handelspolitisch vieles vereinfachen. Premierministerin May hat das aber konsequent ausgeschlossen.

Merkel und Macron wollen die Reform für Europa voranbringen. Wo muss sich die Kanzlerin bewegen?

McAllister Alle Verantwortlichen in der Europäischen Union bewegen sich bereits. Die Eurozone muss nachhaltig gestärkt und reformiert werden. Von einem ausschließlich auf die Mitgliedstaaten der Eurozone bezogenen Budget bin ich nicht überzeugt. Besser ist es, EU-Haushaltsmittel für strukturelle Reformen in der Eurozone bereitzustellen. Wir sollten den Europäischen Stabilitätsmechanismus zu einem im EU-Recht verankerten Währungsfonds weiterentwickeln, der in Krisensituationen schnell helfen kann. Eine Vergemeinschaftung von Schulden darf es allerdings nicht geben, denn Risiko und Haftung bedingen einander.

Die Niederländer haben die Deutschen und Franzosen vor Alleingängen gewarnt. Droht hier ein neuer Konflikt innerhalb der EU?

McAllister Mein Wunsch wäre es, dass sich die Regierung in Den Haag mit Enthusiasmus für die europäische Sache engagiert. Die EU steht vor neuen Herausforderungen: mehr gemeinsames Engagement bei Bildung und Forschung, der Schutz der Außengrenzen, der Kampf gegen den Terrorismus, die Afrika-Strategie, die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Alle bestehenden EU-Finanzen müssen richtigerweise auf den Prüfstand gestellt werden. Aber einige Regierungen wie die von Österreich, Dänemark und den Niederlanden wollen die künftig fehlenden britischen EU-Haushaltsmittel und zugleich alle zusätzlichen neuen Aufgaben ohne höhere nationale Beiträge stemmen. Das wird so nicht funktionieren.

Martin Kessler und Chris van Mersbergen führten das Gespräch.

(kes)
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