Viktor Orban gewinnt Parlamentswahl in Ungarn Das "politische Raubtier" hat wieder zugeschlagen

Ministerpräsident Viktor Orban hat Ungarn in den vergangenen vier Jahren seinen Stempel aufgedrückt - und nun kann der 50-Jährige mit dem Rückhalt breiter Wählerschichten weitermachen. Orbans rechtskonservative Fidesz-Partei kam bei der Parlamentswahl am Sonntag auf einen Stimmenanteil von beinahe 45 Prozent, was aufgrund des neuen Wahlrechts für eine deutliche Mehrheit im Parlament und damit weiterhin zum Alleinregieren reichen dürfte.

Viktor Orban im Porträt
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Das ist Viktor Orban

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Foto: AP/Petr David Josek

Der Oxford-Jurist Viktor Orban gründete 1988 zusammen mit einer Handvoll oppositioneller Studenten die damalige Protestorganisation Fidesz. Als entschiedener Antikommunist forderte er kurz vor der Öffnung des "Eisernen Vorhangs" freie Wahlen und den Abzug der Sowjetarmee aus Ungarn. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion trimmte er seine Partei auf einen rechtskonservativen Kurs, was ihm zunehmende Unterstützung aus der Mittelschicht einbrachte und so den Weg an die Macht ebnete.

Als Orban 1998 zum ersten Mal das Amt des Regierungschefs übernahm, war er gerade 35. Auf seine erste Legislaturperiode folgten allerdings acht Jahre linker Regierung - eine Zeit, in der Ungarn mit Krediten des Internationalen Währungsfonds, der Weltbank und der Europäischen Union vor der Pleite bewahrt werden musste. Orbans Rückkehr an die Macht 2010 war ein großer Triumph.

Mit seinen populistischen Wahlversprechen traf Orban vor vier Jahren den Nerv vieler Bürger. Er verkündete, er werde die ungarische Wirtschaft "wieder auf Vordermann bringen", im Gesundheitssystem Ordnung schaffen und die öffentliche Sicherheit gewährleisten. Außerdem stellte er Steuersenkungen und eine Million neue Arbeitsplätze innerhalb von zehn Jahren in Aussicht.

Das Gerippe eines Rechtsstaats

Doch seine vollmundigen Versprechen lösten sich rasch in Luft auf. Ungarn geriet in eine tiefe Wirtschafts- und Finanzkrise, die nationale Währung Forint stürzte ab, Preise und Zinsen stiegen. Plötzlich blies dem brillanten Redner auch im eigenen Land ein schärferer Wind entgegen.

Ungarn wählt ein neues Parlament
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Ungarn wählt ein neues Parlament

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Und Orban reagierte: Um seine politischen Gegner auszuschalten, hebelte Orban die Trennung von Legislative, Exekutive und Justiz aus. Er setzte treue Gefolgsleute an die Spitze wichtiger Behörden und Gremien, alle Medien wurden faktisch einer staatlichen Zensur unterworfen.

Übrig blieb das Gerippe eines Rechtsstaats, der 2004 feierlich der EU beigetreten war. Die Europäische Kommission beklagt zwar die "Schande" von Budapest und ärgert sich über Orbans Kuschelkurs gegenüber Russland, trat aber letztlich so nachsichtig auf, dass Orban sich nicht zu entscheidenden Zugeständnissen gezwungen sah.

Der ungarische Politologe Laszlo Lengyel sieht in Orban ein "politisches Raubtier", das weder Niederlagen noch Widerspruch duldet. Den Beweis dafür lieferte der ehemalige Dissident bei seinem Antrittsbesuch im EU-Parlament vor drei Jahren. Einige Abgeordnete klebten sich demonstrativ Pflaster auf den Mund - Orban verbat sich jede Einmischung in die Innenpolitik: Ungarn sei ein demokratischer Rechtsstaat, und wer dies in Frage stelle, beleidige "das ungarische Volk".

Fragwürdige Tricks

Im eigenen Land gibt sich der frühere Fußball-Halbprofi und Vater von fünf Kindern volksnah, wettert gegen Globalisierung und die wachsende Macht Asiens und verspricht das "Ende der Banken-Ära". Die vermeintlich blendenden Wirtschaftsdaten, mit denen er sich gerne schmückt, verdankt Orban allerdings auch fragwürdigen Tricks.

So kam die niedrigste Inflationsrate seit vier Jahrzehnten nur zustande, indem Energieversorgern ein 20-prozentiger Abschlag auf Gas- und Strompreise diktiert wurde. Und die gesunkene Arbeitslosenquote ist auch dem Umstand geschuldet, dass 200.000 Menschen in unterbezahlte Jobs genötigt wurden.

Orbans Frau Aniko Levai verriet unlängst einen wichtigen Charakterzug ihres Mannes: Wenn die ungarische Nationalmannschaft beim Fußball verliere, sei ihr Mann schlecht gelaunt. "Er kann nicht verlieren."

(AFP)
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