Wikileaks-Gründer beantwortet Fragen Das Phantom Assange meldet sich zu Wort

Washington (RPO). Die ganze Welt sucht ihn, eine US-Firma sperrte seine Webadresse in den Vereinigten Staaten, und einige Politiker fordern sogar seinen Tod. Auf Julian Assange, der Gründer der Enthüllungs-Webseite Wikileaks, wird nach den jüngsten Veröffentlichungen von allen Seiten Druck aufgebaut. Doch beirren lässt sich Assange davon offenbar nicht. Im Gegenteil - auf einer britischen Webseite beantwortete er am Freitag die Fragen der User.

Wikieleaks-Gründer Julian Assange stellte sich am Freitag den Fragen von Lesern einer britischen Webseite.

Wikieleaks-Gründer Julian Assange stellte sich am Freitag den Fragen von Lesern einer britischen Webseite.

Foto: AP, AP

Fast zwei Stunden hatten die Internetleser der britischen Zeitung "The Guardian" Zeit, jenem Mann Fragen zu stellen, der für viele wie ein Phantom wirkt. Niemand weiß, wo er sich aufhält, die Finanzierung seiner Webseite wirft manche Frage auf, und dann stehen auch noch Vergewaltigungsvorwürfe im Raum.

So verwunderte es nicht, dass sich an der Aktion der Tageszeitung zahlreiche Briten beteiligten. Und die Fragen nahmen breiten Raum ein. Da gab es diejenigen, die hofften, Assange würde ihnen noch mehr Enthüllungen liefern - wie etwa auf die Frage, ob er Informationen über die kurdische Regionalregierung besitze oder ob er vorhabe, die Namen der afghanischen Informanten eines Tages zu veröffentlichen.

Andere wiederum wollten von ihm wissen, ob er selbst glaube, die Welt mit seinen Veröffentlichungen zu verändern und wie er die zukünftige Entwicklung von Wikileaks einschätze. Und wieder andere wollten sich einfach nur bei ihm bedanken oder wissen, wie man ihm helfen könne.

Assange: Vermisse meine Heimat

Und tatsächlich dauerte es nur wenige Minuten, bis die Webseite gegen 14 Uhr die Antworten von Julian Assange online stellte. Ob diese allerdings wirklich von ihm stammten, kann keiner außer den Webseiten-Betreibern nachvollziehen. Das Phantom bleibt also weiter ein Phantom.

Neue Enthüllungen jedenfalls ließen bei den Antworten auf sich warten. Vielmehr vermittelteten sie einen Eindruck, wie Assange selbst seine derzeitige Situation sieht. So erklärt er, dass er als australischer Staatsbürger seine Heimat vermisse. Doch habe die Regierung unmissverständlich klar gemacht, dass nicht nur seine Rückkehr unmöglich sei, sondern sie auch die Vereinigten Staaten unterstütze, ihn zu attackieren.

Auch betont Assange, dass in den vier Jahren, seit Wikileaks die US-Berichte enthülle, es keine glaubwürdigen Anschuldigungen gegen die Plattform gegeben habe. Auch wenn Einrichtungen wie das US-Verteidigungsministerium behaupteten, Menschen würden durch die Veröffentlichungen zu Schaden kommen. Das wären nur böswillige Manipulationsversuche.

Mit 25 Jahren erstes Buch veröffentlicht

Zudem verteidigt Assange seine eigene Rolle innerhalb der Veröffentlichungen. Er habe sein erstes Buch mit 25 Jahren veröffentlicht, bei Zeitungen, im Fernsehen oder auf Webseiten mitgearbeitet. Daher spiele es keine Rolle, ob er nun ein Journalist sei oder nicht.

Die Beantwortung der Fragen macht eines deutlich, sollten sie tatsächlich von Assange persönlich stammen: Er geht offensiv gegen die Vorwürfe der US-Regierung an, will sich selbst verteidigen und nicht einfach im Untergrund verschwinden.

Und genau das wird er wohl auch in Zukunft tun. Schließlich hat er bereits für Anfang nächsten Jahres neue Veröffentlichungen in Bezug auf eine US-Großbank angekündigt. Doch die Schlinge der Behörden zieht sich immer mehr zu. Und wie lange Assange noch frei agieren kann, ist fraglich.

"Morddrohungen gegen uns allgemein bekannt"

Auf der Onlineseite des "Guardian" nahm Assange auch zu den Morddrohungen gegen ihn Stellung. Ein kanadischer Experte hatte seine Ermordung als Strafe für die Veröffentlichung der geheimen Dokumente gefordert. Der US-Politiker und ehemalige republikanische Kandidat zur Nominierung für die Präsidentschaftswahl 2008, Mike Huckabee, sagte, die Verantwortlichen für die Daten-Lecks sollten hingerichtet werden. Assange forderte eine Anzeige wegen Anstiftung zum Mord.

Assange scheint das gelassen zu nehmen, die Morddrohungen gegen ihn seien allgemein bekannt. In Anspielung auf die USA sagte Assange, seine Mitarbeiter träfen alle Vorsichtsmaßnahmen, zu denen sie angesichts der Tatsache, es "mit einer Supermacht zu tun" zu haben, in der Lage seien.

Haftbefehl aktualisiert

Am Freitag erließ Schweden einen aktualisierten Haftbefehl. "Wir haben die Informationen zurückgeschickt, um die die britische Polizei gebeten hat", sagte die Sprecherin der schwedischen Staatsanwaltschaft, Karin Rosander. So hätten die britischen Behörden wissen wollen, wie hoch das maximale Strafmaß für die Verbrechen und Straftaten in der Akte sei. "Normalerweise nehmen wir nur das schwerste Vergehen", sagte Rosander. In diesem Fall sei das der Vorwurf der Vergewaltigung.

Am Freitag war die Seite von Wikileaks wegen massiver Cyber-Attacken gesperrt worden. Daraufhin verschaffte sich die Enthüllungsplattform in der Schweiz eine neue Internetadresse. Statt unter http://wikileaks.org waren am Freitagvormittag die Inhalte der Plattform unter der schweizerischen Adresse http://wikileaks.ch abrufbar. Am frühen Freitagabend war dann aber auch die Schweizer Adresse nicht mehr erreichbar. Ob das nur an einer Überlastung der Server lag oder andere Gründe hatte, war zunächst nicht bekannt.

Ruft man die deutsche Adresse auf, wird man auf die Domain http://213.251.145.96 umgeleitet. Dort sind die Inhalte alle verfügbar. Die französische Regierung hat am Freitag damit begonnen, Wikileaks von inländischen Servern zu verbannen.

(afp/dapd)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort