Gespräche in Kabul Das Misstrauen der afghanischen Frauen

Kabul · Es gibt wieder Hoffnung auf Frieden in Afghanistan. Doch es gibt auch die Sorge, dass die Taliban sich am Ende mit ihrer Ideologie einer strikten Umsetzung der Alltagsvorschriften nach dem Koran durchsetzen.

 Die Frauenrechtsaktivistin Nargis Asarjun steht auf dem Balkon ihrer Wohnung. Die geplanten Friedensgespräche sieht die 26-Jährige skeptisch: „Ich glaube nicht, dass sich die Taliban verändert haben.“

Die Frauenrechtsaktivistin Nargis Asarjun steht auf dem Balkon ihrer Wohnung. Die geplanten Friedensgespräche sieht die 26-Jährige skeptisch: „Ich glaube nicht, dass sich die Taliban verändert haben.“

Foto: dpa/Jim Huylebroek

(dpa) Wenn Nargis Asarjun an Friedensgespräche mit den Taliban denkt, ist die junge Frau skeptisch. „Ich glaube nicht, dass sich die Taliban verändert haben. Ich glaube, es gibt eine neue Generation, die noch brutaler ist als die Vorgänger.“ Nargis Asarjun ist 26 Jahre alt, politisch aktiv und hat die Herrschaft der islamistischen Taliban Ende der 1990er noch miterlebt. Vor drei Jahren gründete sie mit einem Frauenkollektiv das erste Modemagazin Afghanistans. Heute kämpft sie mit einer Gruppe junger Frauen für Frieden.

Ein Abkommen zwischen den USA und den Taliban machte Ende Februar Hoffnung auf ein Ende des jahrzehntelangen Konflikts. Die internationalen Truppen sollen abziehen und innerafghanische Friedensgespräche beginnen. Der Krieg zwischen Regierung und Taliban geht aber weiter. Kurz nach der Unterzeichnung hatte Asarjun gemischte Gefühle. „Es war ein trauriger Tag – zu sehen, dass die Taliban so viel Legitimität erhalten haben“, sagt sie. „Von heute auf morgen sind sie keine Terroristen mehr, sondern neue Partner der internationalen Gemeinschaft.“

Asarjun und viele andere junge Frauen fürchten, dass ihre Rechte in den geplanten Verhandlungen zu kurz kommen. Denn die Taliban fordern eine strenge Auslegung islamischen Rechts. In vielen ländlichen Gegenden, wo sie Schattenherrschaften aufgebaut haben, sind Frauenrechte begrenzt. Der Zugang zu Bildung ist erschwert, politische Beteiligung unerwünscht. Der Konflikt im Land geht weiter, die Gespräche mit der Regierung haben noch nicht begonnen. Es herrscht gegenseitiges Misstrauen, in Kabul ist die politische Elite zerstritten.

Fern von der Hauptstadt setzt sich Mariam Durani für Frauen ein. Die 36-Jährige hat einen Radiosender gegründet und lebt in der Südprovinz Kandahar, einst die Hochburg der Taliban. Das Magazin „Time“ listete sie 2012 unter den 100 einflussreichsten Personen der Welt. Als Provinzrätin überlebte sie ein Bombenattentat und erhielt immer wieder Drohungen – wie viele andere Frauen in politischen Ämtern. Insbesondere auf dem Land herrschen noch traditionelle Rollenbilder. Weniger die Waffen, mehr die Ideologie der Taliban fürchtet sie bei kommenden Verhandlungen. „Sie werden über ihre extremistischen Ansichten sprechen und ihre Befürworter, die sich bisher gefürchtet haben, werden sich gegen mich und andere Frauen stellen“, sagt sie. Männer bestimmen den Krieg, aber auch die Friedensverhandlungen, stellt auch ein Bericht eines US-Friedensforschungsinstituts fest.

Fausia Kufi ist eine von fünf Frauen eines 21-köpfigen Teams für die Seite der afghanischen Regierung bei geplanten Friedensgesprächen. Sie stellt sich auf schwierige Verhandlungen mit den Taliban ein. „Zunächst einmal ist es wichtig, dass sich die Delegation über die roten Linien einigt“, sagt die Politikerin. Kufi ist Vizepräsidentin im afghanischen Parlament, was in Afghanistan immer noch ungewöhnlich ist. Sie teilt die Sorgen junger Aktivistinnen, weist aber auch auf Unterschiede hin. Die Zeiten hätten sich geändert. „Ich glaube nicht, dass die Taliban wieder an die Macht kommen wie zuvor, weil sich die Menschen und die afghanische Gesellschaft sowie der regionale und internationale Konsens verändert haben“, sagt die 45-Jährige. 

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