Protest eines Choreografen geht um die Welt Das ist der "stille Mann" vom Taksim

Istanbul · Es begann als einsamer Protest und wurde zu einer Massenbewegung: der "stille Mann" auf dem Taksim-Platz in Istanbul. Stundenlang stand er einfach nur da und sagte nichts. Im Internet verbreitete sich die Aktion wie ein Lauffeuer. Doch wer ist der junge Mann?

#duranadam: Einsamer Protest auf dem Taksim-Platz
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#duranadam: Einsamer Protest auf dem Taksim-Platz

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Er hat einen Rucksack auf dem Rücken, die Hände lässig in den Hosentaschen vergraben. Es ist sechs Uhr abends, als der junge Mann sich in dieser Pose auf den Taksim-Platz in Istanbul stellt. Jenen Platz, auf dem seit Wochen die Proteste gegen die Regierung Erdogan stattfinden.

Unentwegt starrt der Mann auf ein riesiges Porträt des türkischen Staatsgründers Mustafa Kemal Atatürk, dass das der Fassade des früheren Kulturpalastes hängt. Menschen bleiben stehen, beobachten ihn. Dann nähert sich die Polizei. Wie mehrere Videos auf Youtube zeigen, sprechen sie ihn an, durchsuchen seinen Rucksack, wollen den Inhalt seiner Hosentaschen sehen. Der Mann bleibt, macht mit seinem stillen Protest weiter.

#duranadam Hauptthema bei Twitter

Wie ein Lauffeuer verbreitet sich die Aktion via Twitter unter dem Hashtag #duranadam (türkisch für stehender Mann), auf Youtube werden zig Videos davon hochgeladen. Später gesellen sich dutzende andere Protestierende zu ihm, tun es ihm gleich — bis um zwei Uhr morgens die Polizei einschreitet und die "Versammlung" auflöst.

Der Initiator selbst kann entkommen. Er heißt Erdem Gunduz und ist ein Istanbuler Tänzer und freier Choreograf. Auf seiner Facebook-Seite hat der 34-Jährige nichts von der Aktion gepostet, allerdings steht dort, er lebe derzeit auf dem Taksim-Platz in Istanbul. Ursprünglich, so gibt er dort an, kommt er aus Izmir.

Trotz des verhängten Versammlungsverbots will Gunduz mit seinem Protest weitermachen. Einen Monat will er auf dem Platz ausharren, nur gelegentlich abgelöst durch seine Freunde. "Er muss allein bleiben in der Mitte des Platzes", sagt Asma, eine Freundin. "Ansonsten wird die Polizei unter dem Vorwand, dass dies eine Versammlung ist, alle vertreiben."

Und plötzlich steht eine Frau da

Und die "Welt" zitiert den "stillen Mann" mit den Worten: "Es war die einzige Möglichkeit, wie ich deutlich machen konnte, dass wir keine freie Presse haben." Sein Protest habe sich gegen die umfassende Kontrolle der Regierung über die türkischen Medien gerichtet.

Mit Erfolg: Überall im Land wird die Aktion nun nachgeahmt. So etwa auch am Dienstagmorgen erneut auf dem Taksim. Dort stand eine junge Frau bewegungslos und las ein Buch — die Augen mit einem Tuch verbunden. Am Abend waren auf dem Platz in der türkischen Metropole wieder mehrere hundert schweigende Menschen versammelt, wie Augenzeugen berichteten.

mit Agenturmaterial

Tweets über "#duranadam"

(das)
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