Während der Gewalteskalation auf dem Maidan Das Hotel Ukraine — Herberge und Lazarett zugleich

Kiew · Als die Gewalt auf dem Maidan in Kiew eskalierte, wurde ringsum alles zu einem provisorischen Lazarett umfunktioniert, was irgendwie ging. Geschäfte, Kirchen und auch Hotels. Eines davon ist das Hotel Ukraine, nur wenige hundert Meter vom Unabhängigkeitsplatz entfernt. Plötzlich war die Herberge vieler Journalisten mitten drin in den Kämpfen zwischen Regierungsgegnern und Einsatzkräften.

 Ein Blick in die Lobby des Hotel Ukraine, das wie viele andere Gebäude zur provisorischen Klinik umgebaut wurde.

Ein Blick in die Lobby des Hotel Ukraine, das wie viele andere Gebäude zur provisorischen Klinik umgebaut wurde.

Foto: dpa, tothim ads

Auf den Säulen in der Lobby prangen rote Kreuze. Ringsum sind freiwillige Helfer und Ärzte in blauen Kitteln zu sehen. Dort, wo sonst Hotelgäste ihr Essen einnehmen, stehen jetzt die wenigen Medikamente, welche die Helfer zur Versorgung der Verletzten zur Verfügung haben. Auf dem mitunter blutverschmierten Boden liegen Leichen. Aus dem Hotel Ukraine wurde in Handumdrehen ein Lazarett — und eine Leichenhalle.

View from behind reception at Hotel #Ukraine. Quiet determination to carry on as medics attend to wounded. pic.twitter.com/nEi2AJIAld

Das Hotel, das sonst Touristen und seit Beginn der Proteste vor allem auch Journalisten beherbergt, ist in den vergangenen zwei Tagen mitten in die Kämpfe auf dem Maidan geraten — so wie viele andere Hotels oder Kirchen am Platz auch. Am Donnerstag gab es zudem Berichte, dass sich in dem Gebäude jene Scharfschützen versteckt hätten, die auf die Demonstranten unten auf dem Platz schossen.

"Ich konnte den Bürgerkrieg vom Hotelfenster aus Beobachtung", berichtet etwa ein Reporter der "Frankfurter Rundschau" aus dem Hotel. Zu diesem Zeitpunkt habe er noch nicht geahnt, "dass das Hotel selbst schon Kampfplatz war". "Im Obergeschoss seien Scharfschützen gesichtet worden, hieß es", schreibt der Journalist. Er sei auf Männer in Tarnanzügen getroffen, die diese angeblich suchten, und auf andere Männer, die jene Männer in Tarnanzügen suchten. Auch eine Reporterin von Sky News twittert: "Unser Zimmer im Hotel wurde gerade von bewaffneten Protestlern durchsucht, sie suchen nach einem Scharfschützen."

Andere Journalisten berichten etwa auf Twitter von Einschüssen im Treppenhaus, Einschüssen in Fenstern.

Impacts de balles à l'hôtel Ukraine sur #Maidan. #Kiev @itele pic.twitter.com/5nNDrb5sH5

Ein ABC-Journalist berichtet von seiner Begegnung mit dem BBC-Produzenten Kevin Bishop in dem Hotel, der ihm sagte: "Wir müssen sehr vorsichtig sein, wenn wir in der Nähe von Fenstern stehen." Mehrere Journalisten, so heißt es in dem Bericht, seien von Scharfschützen beschossen worden, als sie vom Fenster aus filmten. Auch im Hotel werde schon gewarnt.

Helpful hints in the hotel #ukraine #Kiev @ABC @GMA pic.twitter.com/QxqS1BsGJ5

Auch die spanische Zeitung "El Mundo" beschreibt die Situation vom Donnerstag im Hotel. "Linkerhand vom Eingang befindet sich die Bar. Dort, wo nachts Hotelgäste ihre Drinks nehmen, befindet sich nun ein Lager mit Verbandsmaterial. Rechts, nur verdeckt durch weiße Tücher, befinden sich die Betten, auf die sie die Verwundeten legen und operieren." Und in der Mitte stehe ein orthodoxer Priester mit einem Kreuz in der Hand.

Es gebe nur noch wenig Personal, aber die, die geblieben sind, versuchten, alles am Leben zu erhalten, zitiert ABC den BBC-Mann Bishop. Das Hotel-Restaurant sei nicht mehr geöffnet, und die Räume würden nicht mehr von Reinigungskräften gesäubert. "Es fungiert nicht mehr wie ein Hotel", so Bishop. "Es ist nur noch ein großes Gebäude mit vielen Räumen.

(das)
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