Lockdown-Feiern im britischen Regierungssitz „Partygate“-Bericht belastet Ex-Premierminister Boris Johnson schwer

London · Hat Boris Johnson von Corona-Regelbrüchen in seinem Amtssitz gewusst und das Parlament belogen? Darauf deutet ein Parlamentsbericht hin. Bestätigt sich der Verdacht, könnte das schwere Folgen haben.

Boris Johnson teilte mit, der Bericht entlaste ihn und zeige, dass er das Parlament nicht willentlich belogen habe.

Boris Johnson teilte mit, der Bericht entlaste ihn und zeige, dass er das Parlament nicht willentlich belogen habe.

Foto: AP/Frank Augstein

Der frühere Premierminister Boris Johnson hat das britische Unterhaus in der „Partygate“-Affäre nach Recherchen eines Parlamentsausschusses vermutlich mehrmals belogen. Er habe wissen müssen, dass bei Lockdown-Feiern in seinem Regierungssitz und anderen Behörden die geltenden Corona-Regeln gebrochen wurden, stellte der am Freitag veröffentlichte vorläufige Bericht fest. Beweise deuteten stark darauf hin, dass Verstöße gegen die Richtlinien für Johnson „offensichtlich“ gewesen seien, heißt es darin.

Der konservative Politiker hingegen teilte mit, der Bericht entlaste ihn und zeige, dass er das Parlament nicht willentlich belogen habe. Sollte sich der Verdacht aber entgegen Johnsons Darstellung bestätigen, könnte er für zehn Tage suspendiert werden und letztlich der Verlust seines Mandats drohen, wenn seine Wähler ihm das Vertrauen entziehen. Der Ex-Regierungschef soll in der Woche vom 20. März als Zeuge vor dem Ausschuss aussagen, ein genaues Datum gibt es noch nicht. Die Veröffentlichung am Freitag sollte Johnson und seine Anwälte auf den Stand der Ermittlungen bringen.

Der Ex-Premier hatte im Unterhaus wiederholt betont, es seien keine Corona-Regeln gebrochen worden und er habe keine Kenntnis von Feiern während des Lockdowns gehabt. Britische Medien veröffentlichten aber über Monate hinweg zahlreiche Berichte. So sollen Beschäftigte in der Downing Street während der Pandemie mehrere Partys veranstaltet haben, wobei Johnson bei den meisten nicht dabei war. Es gab einen Wein-Kühlschrank, Paare hatten Sex in Büros, bei einer Feier ging eine Schaukel von Johnsons Sohn kaputt. Der Ausschuss veröffentlichte auch einige Bilder von Treffen, bei denen Johnson und seine Mitarbeiter keine Masken trugen. Die Untersuchung sei auch durch den Unwillen von Johnsons Regierung aufgehalten worden, hieß es.

Der Ex-Premier, der auch wegen des Drucks in der Affäre im Juli 2022 zurückgetreten war, griff zudem die interne „Partygate“-Ermittlerin Sue Gray scharf an. Die langjährige Spitzenbeamtin, die zuletzt in leitender Funktion in der zentralen Regierungsbehörde Cabinet Office tätig war, hatte mehrere Regelbrüche angeprangert und den Verantwortlichen in der Downing Street ein verheerendes Führungszeugnis ausgestellt.

Nun wurde bekannt, dass Gray aus dem Öffentlichen Dienst ausgeschieden ist, um als Stabschefin von Oppositionsführer Keir Starmer zur Labour-Partei zu wechseln. Dies zeige, dass sie die „Partygate“-Ermittlungen nicht objektiv geführt habe, kritisierten enge Verbündete Johnsons. Der 58-Jährige nannte den Schritt „surreal“ und „besonders besorgniserregend“. Er hatte Gray im Dezember 2021 mit den Ermittlungen beauftragt. Auch die Polizei ermittelte und erließ unter anderem gegen Johnson wegen Teilnahme an einer Lockdown-Feier eine Geldstrafe.

Der Zeitung „Times“ zufolge behauptete Johnson nun sogar, dass der Skandal „fabriziert“ wurde, um ihn zu Fall zu bringen. Aus Johnsons Tory-Partei gab es Forderungen, der amtierende Premierminister Rishi Sunak müsse Grays Wechsel verhindern. Labour wies die Vorwürfe als lächerlich zurück. Die Oppositionspartei liegt in Umfragen mit großem Abstand vor den Tories. Grays Berufung zeige, dass Parteichef Starmer sich ernsthaft auf eine Regierungsübernahme nach der für 2024 geplanten Wahl vorbereite, kommentierten Beobachter in London.

(ele/dpa)
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