Tierschützer schlagen Alarm Corona-Krise verschärft Wilderei-Problem

Neu Delhi/Kinshasa · In armen Regionen Asiens und Afrikas verspricht der Handel mit geschützten Tieren vielen Menschen ein Auskommen in schweren Zeiten. Allerdings bereitet den Schmugglern die Pandemie auch Probleme beim Absatz der illegalen Ware, denn viele Grenzen sind derzeit geschlossen.

 Kein Wilderer, sondern eine Wildhüterin: Petronella Chigumbura (30) ist Mitglied einer nur aus Frauen bestehenden Ranger-Einheit, die in Simbabwe versucht, die illegale Jagd auf Wildtiere einzudämmen. Das Bild wurde 2019 als World Press Photo ausgezeichnet.

Kein Wilderer, sondern eine Wildhüterin: Petronella Chigumbura (30) ist Mitglied einer nur aus Frauen bestehenden Ranger-Einheit, die in Simbabwe versucht, die illegale Jagd auf Wildtiere einzudämmen. Das Bild wurde 2019 als World Press Photo ausgezeichnet.

Foto: AP/Brent Stirton / Getty Images

(ap) Eine versteckte Kamera und eine forensische Untersuchung des Kadavers enthüllen, woran das Tigerweibchen starb: Eine Drahtschlinge, ausgelegt von einem Wilderer, verletzte ihre Luftröhre so schwer, dass sie über mehrere Tage immer schwächer wurde und langsam verendete.

Schlingen wie diese, die in einem Waldgebiet in Südindien entdeckt wurden, fielen Wildtierschützern in den vergangenen Monaten häufiger in die Hände. Inmitten der Corona-Pandemie jagen Menschen, die ihre Arbeit verloren haben, geschützte Tiere, um Geld zu verdienen und ihre Familien zu versorgen.

Die Behörden in Indien befürchten, dass die Zunahme der Wilderei nicht nur den gefährdeten Tigern und Leoparden zusetzen wird, sondern auch Tiere das Leben kosten könnte, von denen die Großkatzen für ihr Überleben abhängig sind. „Die Wilderei ist riskant, aber wenn sie an den Rand des Zusammenbruchs geraten, könnten manche Menschen denken, dass es das Risiko wert ist“, erklärt Mayukh Chatterjee, Wildtierexperte bei der Tierschutzorganisation Wildlife Trust of India.

Das ist offenbar bereits der Fall. Seit die indische Regierung strenge Restriktionen zur Eindämmung der Corona-Pandemie verhängte, wurden mindestens vier Tiger und sechs Leoparden von Wilderern getötet, wie die Tierschutzgesellschaft WPSI erklärt. Außerdem seien der Wilderei zahlreiche weitere Tiere zum Opfer gefallen, zum Beispiel Gazellen, Königsriesenhörnchen, Wildschweine, Pfauen und Purpurhühner.

In vielen Entwicklungsländern geht die Sorge um, dass die wirtschaftlichen Verwerfungen durch die Corona-Krise der Wilderei Vorschub leisten könnten. Schließlich haben die Menschen in manchen Schutzgebieten Schwierigkeiten, genügend Lebensmittel für sich und ihre Familien zu organisieren, während gleichzeitig weniger Ranger in den Nationalparks unterwegs sind. Allerdings bereitet der Virus den Wilderern auch Probleme: Geschlossene Grenzen und Einreisebeschränkungen machen es ihnen deutlich schwerer, die illegale Ware zum Kunden zu schaffen.

Solche Hindernisse haben unter anderem Auswirkungen auf den illegalen Handel mit dem vom Aussterben bedrohte Schuppentier. Solche Tiere, die dem Nasenbär ähnlich sind, werden in Afrika und Asien gefangen und von dort zumeist nach China und Südostasien geschmuggelt, wo ihr Fleisch als Delikatesse gilt und ihre Schuppen in der traditionellen Medizin verabreicht werden. Die Organisation Wildlife Justice Commission (WJC) berichtet, Schmuggler in mehreren südostasiatischen Ländern würden die Schuppen inzwischen einlagern, während sie auf ein Ende der Pandemie warteten.

Gleiches geschehe mit Hörnern von Nashörnern in Mosambik, heißt es in einem Bericht der WJC. Und Händler in Südostasien hätten Schwierigkeiten, das Elfenbein zu verkaufen, das sich seit dem chinesischen Handelsverbot von 2017 angesammelt habe. Die Pandemie habe die Lage der Händler noch weiter erschwert, weil chinesische Kunden derzeit nicht zu den Elfenbeinmärkten in Kambodscha, Laos und anderen Ländern reisen könnten.

„Sie sind verzweifelt und wollen es loswerden“, sagt Sarah Stoner, Direktorin für Informationsbeschaffung bei der WJC. „Niemand will auf dieser Ware sitzenbleiben.“

Zum Schicksal der Schuppentiere erklärt Ray Jansen, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Afrikanisches Schuppentier, der illegale Handel innerhalb Afrikas laufe ungehindert weiter, aber der internationale Handel sei wegen der Schließungen von Häfen unterbrochen. „Wir haben einige Handelsrouten per Luftfracht ermittelt, während die Schiffsverbindungen noch geschlossen sind, aber wir erwarten eine wahre Handelsflut, sobald die Schiffsrouten wieder öffnen“, sagt er.

Befürchtungen, die Wilderei könnte auch in Afrika stark zunehmen, haben sich nicht erfüllt – bisher. Das liegt teilweise daran, dass die Patrouillen der Ranger in vielen Nationalparks und Reservaten unverändert fortgeführt werden. Zahlreiche Länder hätten die Patrouillen für unverzichtbar erklärt, sagt Emma Stokes vom Zentralafrikaprogramm der Wildlife Conservation Society. Das bedeutet jedoch nicht, dass alle Tiere sicher sind. Man rechne damit, dass die Jagd für die Selbstversorgung anwachse, also auf Antilopen und Affen, sagt Stokes. Das bestätigt Jansen von der Arbeitsgruppe Schuppentier. Die Jagd nach Buschfleisch sei enorm angestiegen, besonders in Teilen von Afrika südlich der Sahara. „Die Menschen auf dem Land haben Schwierigkeiten, sich und ihre Familien zu versorgen“, erklärt er.

In Asien geht es längst nicht nur um die Versorgung mit Fleisch. So wurde am 9. Mai im Kaziranga-Nationalpark im Nordosten Indiens ein Panzernashorn erschossen. Es war der erste Fall dieser Art seit mehr als einem Jahr. Drei Verdächtige wurden festgenommen. Der Wildhüter Uttam Saikia erklärte, die Wilderer zahlten armen Familien hohe Summen, wenn sie bei der Jagd helfen. Viele Familien hätten in der Krise ihre Arbeit verloren, „sie werden das also auf jeden Fall ausnutzen“.

Naturschutzorganisationen verlangen von den Regierungen weltweit, rasch Maßnahmen zu ergreifen, um weitere Pandemien zu verhindern. Dazu gehört ihrer Ansicht nach ein Verbot des Handels mit Wildtierfleisch. Außerdem verweisen sie auf Lücken im Washingtoner Artenschutzübereinkommen Cites, das den Handel mit gefährdeten Tieren und Pflanzen regelt. Aktivisten fordern, dass Vorgaben zur öffentlichen Gesundheit in das Papier aufgenommen werden. Als Beispiel nennen sie den Handel mit Fledermäusen, die zahlreiche Viren in sich tragen, derzeit aber laut Cites nicht unter Handelsbeschränkungen fallen.

„Das ist eine große Lücke im Vertrag“, sagt John Scanlon, der frühere Generalsekretär von Cites. „Gewisse Tiere sollten aufgelistet werden und nicht oder nur unter strengen Bedingungen gehandelt werden und Märkte müssen geschlossen werden.“

(dpa)
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