Nach 40-stündiger Verlängerung UN-Klimagipfel einigt sich auf Mini-Konsens - Kritik an Konferenzleitung

Madrid · Noch nie hat eine Weltklimakonferenz ihre Beratungen so lange überzogen wie in diesem Jahr. Am Sonntagmorgen wurde in Madrid weiter verhandelt - mehr als 36 Stunden nach dem ursprünglich geplanten Ende.

 Die Klimakonferenz in Madrid endet mit einem Minimal-Konsens.

Die Klimakonferenz in Madrid endet mit einem Minimal-Konsens.

Foto: AP/Manu Fernandez

Das Ergebnis der UN-Klimakonferenz hat weithin Enttäuschung ausgelöst. UN-Generalsekretär António Guterres bezeichnete die am Sonntag nach mehr als 40-stündigem Nachsitzen gefassten Beschlüsse in Madrid als "verpasste Gelegenheit". Unter anderem verständigten sich die Delegationen aus fast 200 Ländern darauf, die Notwendigkeit anzuerkennen, dass alle Länder ihre nationalen Klimaschutzziele anheben. Umwelt- und Entwicklungsorganisationen kritisierten die Beschlüsse als völlig unzureichend für die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens und riefen die EU zu einer Führungsrolle auf.

"Das waren harte Verhandlungen in Madrid", erklärte Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD). Leider würden die Ergebnisse der Herausforderung der Erderwärmung "nicht gerecht".

Selbst die chilenische Umweltministerin und Konferenzpräsidentin Carolina Schmidt äußerte sich in einer Abschlusserklärung unzufrieden: Die Beschlüsse reichten nicht aus, "um der Klimawandel-Krise mit einem Sinn für die Dringlichkeit zu begegnen". Guterres äußerte sich ebenfalls "enttäuscht", dass die internationale Gemeinschaft eine "wichtige Gelegenheit verpasst" habe, "mehr Ehrgeiz zu zeigen".

In dem Konferenzbeschluss zur Klimaschutz-Ambition wird auf die "Kluft" zwischen den notwendigen und den tatsächlichen Maßnahmen zur Umsetzung des Paris-Abkommens hingewiesen. Die Staaten werden daher "ermutigt", 2020 "die höchstmögliche Ambition als Reaktion auf die Dringlichkeit" des Kampfs gegen die Erderwärmung zu zeigen und ehrgeizigere nationale Klimaschutzziele vorzulegen.

Die Hoffnung von Entwicklungsländern und Inselstaaten auf einen eigenen internationalen Fonds zur Bewältigung von bereits eintretenden klimabedingten Schäden und Verlusten erfüllte sich nicht. Die Ausgestaltung von Artikel 6 des Pariser Abkommens gelang ebenfalls nicht.

Damit bleibt das sogenannte Regelbuch zur Umsetzung des Paris-Abkommens weiter unvollständig. Alle anderen Kapitel waren vor einem Jahr bei der UN-Klimakonferenz im polnischen Kattowitz beschlossen worden. Die Artikel-6-Verhandlungen wurden nun erneut vertagt - auf die nächste UN-Klimakonferenz 2020 in Glasgow.

Artikel 6 sieht vor, auch Marktmechanismen zur Steigerung und Umsetzung der nationalen Klimaschutzbeiträge (NDC) zu nutzen. So könnte ein Industrieland sich die Emissionseinsparung durch klimafreundliche Investitionen in einem Entwicklungsland selbst anrechnen lassen.

Besonders umstritten war, ob unter dem Kyoto-Protokoll vergebene Verschmutzungsrechte unter dem Paris-Abkommen weiter gelten sollen. Darum kämpften insbesondere Brasilien, die USA, Australien und Indien.

Die EU stemmte sich dagegen, da aus ihrer Sicht die Anerkennung alter Zertifikate - genauso wie Schlupflöcher etwa für Doppelzählungen von Zertifikaten - das gesamte Pariser Abkommen unterlaufen würde. Schulze erklärte dazu, sie sei "froh, dass wir alle Versuche abwehren konnten, das Pariser Klimaschutzabkommen aufzuweichen".

Die Verhandlungen in Madrid hatten eigentlich am Freitagabend enden sollen. Wegen verhärteter Fronten wurden aber noch bis Sonntagvormittag weiter verhandelt, bevor es ins Plenum ging. Bei einer UN-Klimakonferenz wurde noch nie so lange überzogen.

Angesichts der weltweiten Klima-Demonstrationen und eindringlicher Appelle von Wissenschaft und Aktivisten wie Greta Thunberg standen die Verhandler in Madrid unter Druck. Die Beschlüsse verrieten nun "all jene Menschen, die weltweit längst unter den Folgen der Klimakrise leiden", kritisierte Greenpeace Deutschland.

Von Brot für die Welt hieß es, reiche Länder seien mit dem Ende der Klimakonferenz in Madrid "nicht aus der Verantwortung entlassen, die Kosten ihrer Zeche zu bezahlen"."

Michael Schäfer vom WWF Deutschland rief die EU auf, nach ihrem Beschluss für ein klimaneutrales Europa bis 2050 im Klimaschutz die Führung zu übernehmen: Jetzt komme es darauf an, dass die EU-Länder ihre "Mondrakete zünden, also den EU-Klimabeitrag deutlich anheben und den Funken auf andere überspringen lassen." Auch Germanwatch warb dafür, dass die EU im Klimaschutz "vorangeht und internationale Partnerschaften zum Beispiel mit China, Indien und Südafrika organisiert".

EU-Kommissionsvize Frans Timmermans versicherte, die EU werde sich weiter dafür einsetzen, "dass wir uns alle der drängenden Herausforderung des Klimawandels stellen".

(felt/mja/dpa/AFP)
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