Erste Auslandsreise der US-Außenministerin Clinton rückt Asien in den Mittelpunkt

(RP). Zur Reisepremiere ordnet Hillary Clinton, seit Januar US-Außenministerin, die Prioritäten neu: Sie jettet nicht über den Atlantik, sondern über den Pazifik und beschwört die Partnerschaft mit China

Hillary Clintons bewegender Auftritt in Bildern
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Um ihren neuen Ansatz deutlich zu machen, erzählt Hillary Clinton eine alte chinesische Sage. Sie handelt von einer Fehde zwischen Feudalfürsten, von Soldaten verfeindeter Armeen, die sich zufällig im selben Boot wiederfinden. Ein Sturm kommt auf, die Wellen schlagen hoch, die Krieger können den aufgewühlten Fluss nur überqueren, wenn sie Hand in Hand arbeiten. Das tun sie denn auch, ihren Konflikt vergessend, worauf ein chinesischer Aphorismus beruht: Fahrt friedlich über den Strom, wenn ihr im selben Boot sitzt.

Die Weisheit dieses Wortes müsse heute wieder die Richtschnur sein, sagt Hillary Clinton, als sie vor der Asia Society, der Asien-Gesellschaft in New York, über ihre erste Auslandsreise im Amt der Außenministerin spricht. China sei heute mehr Partner und weniger Rivale. "Einige glauben, dass ein China im Aufstieg per Definition ein Gegner ist. Im Gegenteil, ich glaube, dass die Vereinigten Staaten und China vom Erfolg des anderen profitieren."

Völlig neue Töne sind das nicht. Seit Monaten macht in amerikanischen Essays das Wort von "Chimerica" die Runde, eine Wortkombination, die prägnant eine eigenartige Symbiose beschreibt. Der traditionellen Konkurrenz zwischen "America" und dem Reich der Mitte stehen ausgeprägte gemeinsame Interessen gegenüber. Als größter Gläubiger des Rekordschuldners USA, als ein Land, das schätzungsweise 700 Milliarden Dollar an amerikanischen Staatsanleihen hält, sitzt China in der Finanzkrise in einem Boot mit "Uncle Sam". Auch als Exportnation hat es keinerlei Interesse daran, dass der wichtigste Abnehmer seiner Waren in noch schwereres Fahrwasser gerät.

Diktiert von der ökonomischen Wirklichkeit, war das Verhältnis der beiden Mächte auch unter George W. Bush gut und sachlich gewesen, zumindest in der Spätphase Bushs. Aber in zu engem Sinne hätten die Wirtschaftsbeziehungen alles beherrscht, kritisiert Clinton. Sie will Peking auch als politischen Partner aufwerten, als Stabilitätsfaktor am anderen Ufer des Stillen Ozeans. Die Sechsparteiengespräche etwa, die Nordkorea zum endgültigen Verzicht auf Atomwaffen bringen sollen, stehen unter dem Vorsitz Chinas, was die USA ausdrücklich begrüßen. Clinton ihrerseits bietet dem isolierten Regime Kim Jong Ils einen Friedensvertrag und Finanzhilfe an, falls es sein Nuklearwaffenprogramm stoppt. Es ist eine Art Generalprobe für einen eventuellen Ausgleich im Atomstreit mit Iran - und Peking soll dabei einen Großteil der Kleinarbeit leisten.

Noch im Februar setzen sich chinesische und amerikanische Militärs wieder an einen Tisch, nachdem sie ihre Konsultationen 2008 wegen US-Waffenlieferungen an Taiwan unterbrochen hatten. Schließlich gehören auch Klimaexperten zu Hillary Clintons Delegation. Nach der aktuellsten Statistik erzeugt der aufsteigende asiatische Wirtschaftsriese mehr Treibhausgas als die Vereinigten Staaten. Ohne China, betont man am Potomac, werden neue Klimaschutz-Regelungen, die Nachfolger des Kyoto-Protokolls, allenfalls Stückwerk bleiben.

"Wir sind sowohl eine transatlantische als auch eine transpazifische Macht", betont die Ministerin und räumt Versäumnisse ein. "Vielleicht haben wir Asien in den vergangenen Jahren nicht die angemessene Aufmerksamkeit zukommen lassen". Das dürfte sich ändern, allein die Wahl der Reiseroute setzt klare Signale. Mit Ausnahme Dean Rusks, des Chefdiplomaten John F. Kennedys, sind amerikanische Außenminister nach ihrem Amtsantritt immer zuerst über den Atlantik geflogen. Clinton ist seit fast 50 Jahren die Erste, die am Pazifik beginnt. Das sehe man völlig entspannt, erwidern europäische Diplomaten in Washington, wenn man sie fragt, ob sich Europa zurückgesetzt fühle. Schließlich seien Briten, Deutsche und Franzosen die ersten gewesen, die von der neuen Hausherrin im State Department empfangen wurden.

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