Internet-Blockade Chinas Zensur-Tricks

Peking (RP). Zwei Schritte vor, ein Schrittchen zurück - nach diesem Motto hat die Pekinger Führung einen Teil der gesperrten Internet-Seiten klammheimlich wieder freigeschaltet. Doch schon gibt es neue Empörung. Die Regierung in Peking kündigte an, die Auslage aktueller deutscher Tageszeitungen zu verbieten.

Die internationale Kritik zeigt Wirkung: Eine Woche vor Beginn der Olympischen Spiele haben die chinesischen Gastgeber die Internet-Zensur für Journalisten gelockert. Auf Seiten von regierungskritischen chinesischen Organisationen gibt es nach wie vor keinen Zugriff.

Die Behörden kontrollieren das Netz seit Jahren. Sie verfeinern ihre Filter ständig. Die Reporter aus aller Welt, von denen 25.000 zu den Spielen anreisen, waren empört, im Olympischen Pressezentrum plumper Zensur ausgesetzt zu sein. Zumal China, als es sich um die Spiele für 2008 bewarb, hoch und heilig in seiner Bewerbung zugesichert hatte: "Es wird für Journalisten keine Einschränkungen in ihrer Arbeit geben, über die Olympischen Spiele zu berichten."

Weitere scheinbare Klarstellungen zu dieser Aussage verleiteten das Internationale Olympische Komitee (IOC) zu der Annahme, dass damit auch freier Zugang zum Internet gemeint sei. Doch China verstand unter seinen Zusagen etwas Anderes: Den freien Zugang zu allen Webseiten, die nach dem Verständnis der Kommunistischen Partei für Chinas System und die Einheit der Nation ungefährlich sind.

Erst unter dem Druck der weltweiten Empörung und im Lichte der Pekinger Erkenntnis, dass es ohne Einlenken die IOC-Führung in diese Krise mit hineinzieht, wurden klammheimlich in der Nacht auf Freitag eine Reihe von Internetblockaden aufgehoben. Es gab dazu keine Ankündigung, keine Nennung der betroffenen Seiten. Für Chinas Presse wurde Berichtverbot erlassen. Web-Seiten, die blockierte Seiten auflisteten, wurden von den Zensoren gelöscht.

Peking hat die Lockerung erst nach einem dramatischen Krisengespräch mit IOC-Vertretern angeordnet. Die Sportfunktionäre bestritten Meldungen, dass es geheime Absprachen zwischen dem Komitee und den chinesischen Gastgebern über Beschränkungen des Internet-Zugangs gegeben habe. Gerd Graus, Sprecher der deutschen olympischen Mannschaft, reagierte nun auf die Wendung der Dinge erleichtert. Er sagte: "Peking hat ein Eigentor verhindert. Der Ärger bei den internationalen Medien kochte gerade hoch. Dies ist ein Schritt, der uns wieder zu den früher gemachten Zusicherungen Chinas zurückbringt."

Wie die Zensoren ihre Auswahl zur Freigabe der Internetseiten trafen, bleibt ihr Geheimnis. Plötzlich waren die Webseiten von Amnesty International, "Reporter ohne Grenzen" oder der US-Menschenrechtsaktivisten "Human Rights in China" freigeschaltet. Ihre chinesischen Fassungen aber blieben blockiert.

Zähneknirschend mussten Chinas Hightech-Zensoren, die das Olympische Gelände netztechnisch nicht abtrennen können, zudem die Freigabe vormals verbotener Seiten nicht nur in den olympischen Zentren sondern für ganz Peking und alle Olympiastädte erlauben.

Während Internetseiten taiwanesischer und Hongkonger Zeitungen wie "Apple Daily" wieder erreichbar sind, blieben die der tibetischen Exilregierung zu. Auch der Zugang zum Portal "boxun.com", ein Sprachrohr der Bürgerrechtler Chinas, ist blockiert, ebenso wie zur Meditationssekte Falun Gong. Chinas Mitglied der Pen-Schriftstellervereinigung und oppositioneller Autor Yu Jie sagte, dass alle von Dissidenten betriebenen Webseiten gesperrt blieben.

"Die Zensoren haben sehr bewusst ausgewählt, welche Seiten sie öffnen. Sie wollen damit dem Ausland gegenüber ein Zeichen setzen." Er begrüßte dennoch die Lockerung. "Sie ist zumindest ein Schritt nach vorn. Ich hoffe, dass die Freigabe der Seiten jetzt nicht nur für die Zeit der Spiele, sondern auch danach gilt und am Ende das Internet völlig geöffnet wird."

Yu Jie warnte die Geste als Nachlassen der Kontrollen zu werten. Diese nähmen zu, je näher der Beginn der Spiele rückt. Seit Donnerstag hat er vor seiner Wohnung in Peking zwei Aufpasser stehen. Er dürfe seine Wohnung verlassen, aber nur, wenn er sich von Sicherheitsbeamten in deren Wagen zu seinen Zielen, etwa zum Einkaufen fahren lasse.

Seinen eigenen Wagen dürfe er nicht fahren. "Sie befürchten offenbar, dass ich, wenn ich allein in die Stadt fahre, Kontakt zu ausländischen Politikern aufnehmen will, die zur Eröffnung der Spiele kommen." Einer ähnlichen Form des "sanften Hausarrests" seien auch andere bekannte Oppositionelle, wie etwa Liu Xiaobo ausgesetzt.

(RP)
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