Kanzler räumt gute Chancen ein China will hessische Plutoniumanlage kaufen

Kanton/Peking (rpo). China will eine demontierte Plutonium-Anlage im hessischen Hanau kaufen. Das Geschäft hat einen Umfang von 50 Millionen Euro. Der Kanzler will "das Ansinnen mit Interesse prüfen".

Der Siemens-Konzern kann die stillgelegte Hanauer Brennelementefabrik für Mischoxid (MOX) möglicherweise nach China verkaufen. Ein entsprechender Antrag wird derzeit geprüft, wie Bundeskanzler Gerhard Schröder am Dienstag bei einem Besuch in der chinesischen Provinzhauptstadt Guangzhou bestätigte. Er räumte dem Begehren gute Chancen ein: "Es sieht nicht so aus, als ob es unbedingt etwas gäbe, was dagegen spräche." Umweltschützer reagierten empört auf das Vorhaben. Auch im Bundesumweltministerium gibt es offenbar Bedenken.

Siemens-Chef Heinrich von Pierer begrüßte dagegen die Prüfung des Exportvorhabens. Damit gebe es erste Ansätze für Gespräche, sagte er in Guangzhou. Pierer gehört zu der 38-köpfigen Wirtschaftsdelegation, die Schröder auf seiner dreitägigen China-Reise begleitet.

In deutschen Regierungskreisen hieß es, die SPD müsse den Verkauf noch mit dem grünen Koalitionspartner klären. Siemens-Sprecher Rainer Jend erklärte in Frankfurt am Main, der Technologiekonzern habe im Februar 2003 beim Bundesausfuhramt eine Voranfrage für eine Exportgenehmigung gestellt. Es gehe um Fertigungsanlagen aus der ehemaligen MOX-Fabrik, die für die Verarbeitung von Uran und Plutonium konstruiert sind.

Die Ausrüstung sei demontiert und in Seecontainer verpackt, sagte Peter Faber, Chef der Rückbauprojekte von Siemens in Hanau. China wolle mit den Anlagen ebenfalls Mischoxid-Brennelemente herstellen. Der Wert der komplett neuwertigen Ausrüstung belaufe sich auf rund 50 Millionen Euro. Siemens hatte in die Errichtung des Hanauer MOX-Werkes Anfang der 90er Jahre rund 1,1 Milliarden Mark (560 Millionen Euro) investiert.

Anlage war nie in Betrieb

Die Export der Anlage muss vom Ausfuhrausschuss der Bundesregierung genehmigt werden. An dem Gremium beteiligt sind neben dem Kanzleramt auch das Bundeswirtschaftsministerium, das Bundesausfuhramt sowie das Auswärtige Amt und das Entwicklungsministerium.

Nach einem Bericht der "Berliner Zeitung" warnt allerdings das Bundesumweltministerium vor einem MOX-Export, weil ein solches Geschäft zur Weiterverbreitung von Atomwaffen führen könne. Mit der Anlage aus Hanau könnten "Brennelemente für Schnelle Brutreaktoren hergestellt werden", heißt es dem Blatt zufolge in einem Schreiben von Staatssekretär Rainer Baake (Grüne) an das Auswärtige Amt. Mit dieser Technologie könne auch im großen Umfang Plutonium für militärische Zwecke hergestellt werden.

Auch die Greenpeace-Atomexpertin Susanne Ochse nannte das Vorhaben einen "deutschen Beitrag zur politischen Destabilisierung in Fernost". Frischer MOX-Brennstoff sei immer atomwaffenfähiges Material, eine rein zivile Plutoniumtechnik gebe es nicht. Ähnlich äußerten sich die Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW), der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).

Die in Hessen heftig umstrittene Fabrik war nie in Betrieb. Die MOX-Anlage war fast fertiggestellt, als der hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel im Juli 1993 drei von sechs Teilgenehmigungen für das Brennelementewerk aufhob. Vor drei Jahren war ein Export der Anlage nach Russland am politischen Widerstand der Grünen gescheitert.

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