China und Russland Gegen die westliche Welt

Samarkand/Peking · In Usbekistan üben Xi Jinping und Wladimir Putin den Schulterschluss. Allein die Symbolik des Treffens sollte in Brüssel und Washington die Alarmglocken zum Schrillen bringen.

Russlands Präsident Wladimir Putin (links) im Gespräch mit Chinas Präsident Xi Jinping (rechts) in Samarkand

Russlands Präsident Wladimir Putin (links) im Gespräch mit Chinas Präsident Xi Jinping (rechts) in Samarkand

Foto: dpa/Alexandr Demyanchuk

Xi Jinpings erste Schritte außerhalb der eigenen Landesgrenzen waren auffallend holprig. Als der 69-Jährige nach knapp tausend Tagen Isolation seine Heimat verließ, stolperte er am Flughafen von Nur-Sultan beinahe von der Gangway hinunter. Die vom kasachischen Lokalfernsehen gefilmten Videoaufnahmen zeigen einen Staatschef, der sich erst wieder auf dem internationalen Parkett zurechtfinden muss.

Doch bereits am Donnerstag konnte Xi mit überaus symbolträchtigen Bildern aufwarten: Chinas Staatschef posiert im usbekischen Samarkand beim Gipfeltreffen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) mit den Staatschefs aus Indien, Pakistan, Iran und Russland. Ursprünglich wurde die SCO Anfang der Nuller-Jahre als eurasische Organisation im Kampf gegen den Terrorismus gegründet, mittlerweile ist sie zu einer Replik auf westliche Sicherheitsbündnisse angewachsen.

Substanzielle Ergebnisse sind zwar von dem Gipfel nicht zu erwarten. Doch allein die Symbolik des Treffens sollte in Brüssel und Washington die Alarmglocken zum Schrillen bringen. Denn was Xi und Putin unter ihrer Federführung präsentieren, ist nicht weniger als die Vision einer neuen Weltordnung – mit dem Ziel, die Dominanz der westlichen Wertegemeinschaft zu durchbrechen.

Ihr Bündnis besteht bislang aus acht Mitgliedern, welches nun jedoch um den Iran erweitert wird. Belarus und die Mongolei halten zudem einen sogenannten Beobachterstatus inne, weitere Partnerländer sind unter anderem Aserbaid­schan und die Türkei.

Mit Russland und China als Zen­trum des Bündnisses richtet sich die mediale Aufmerksamkeit in Samarkand vor allem auf das Zusammentreffen von Xi und Putin. Die Versuche der USA und ihrer Verbündeten, eine unipolare Welt zu schaffen hätten „völlig hässliche Formen angenommen“, sagte Putin nach dem Gespräch. Xi entgegnete, China sei bereit, zusammen mit Russland ein Beispiel für eine verantwortungsvolle Weltmacht zu setzen und eine führende Rolle bei der schnellen Veränderung der Welt und nachhaltiger und positiver Entwicklung zu setzen. Der chinesische Präsident habe Putin auch Unterstützung für Russlands „Kerninteressen“ zugesichert, hieß es anschließend von der chinesischen Regierung. Ins Detail ging die Erklärung nicht.

Solche Stellungnahmen verdeutlichen unmissverständlich, wie weit der chinesisch-russische Schulterschluss reichen könnte. Dabei spielt die wirtschaftliche Win-Win-Situation keine unbedeutende Rolle: Pekings Staatsunternehmen füllen schließlich das Vakuum, welches die westlichen Handelsboykotte hinterlassen haben – und importieren en masse russisches Gas und Öl zu vorzüglichen Konditionen. Es wird außerdem erwartet, dass beide Länder schon bald den Bau einer zweiten Gas-Pipeline formell besiegeln werden. 

Doch der tatsächliche Kern des Zweckbündnisses ist politischer Natur. Xi Jinping braucht einen Partner an seiner Seite, mit dem er gemeinsam eine Front gegen die USA aufbauen kann. Im Antagonismus gegenüber dem Westen sind die zwei Staatschefs vollends geeint. Man möge sich nur in Erinnerung rufen, dass Xi und Putin wenige Wochen vor der russischen Invasion in die Ukraine ihre „grenzenlose Freundschaft“ in einem 5300 Wörter langem Manifest zelebrierten.

Jedoch wird Peking sich vermutlich hüten, selbst aktiv Waffen nach Russland zu liefern. Dies käme de facto einem Bruch mit Europa gleich, den sich die Volksrepublik ökonomisch nicht leisten kann. Nahezu im Monatstakt haben schließlich die internationalen Großbanken ihre Wachstumsprognosen für China nach unten korrigiert. Für 2022 scheint angesichts der anhaltenden Corona-Lockdowns maximal ein Anstieg des Bruttoinlandsprodukts um drei Prozent in Reichweite. Was solide klingt, ist jedoch nur die Hälfte dessen, was die aufsteigende Weltmacht benötigt, um ihre wachsende Mittelschicht bei der Stange zu halten. 

Die EU ist in jedem Fall gut beraten, die Ereignisse in Usbekistan mit Argusaugen zu verfolgen. Denn die zunehmende Verbrüderung zwischen China und Russland avanciert immer mehr zu einem volkswirtschaftlichen Risiko. Das gilt insbesondere für Deutschland, dessen Unternehmen überproportional vom Zugang zum chinesischen Markt abhängen. Der Ernstfall scheint schließlich nicht mehr ausgeschlossen: Dass sich die heimischen Betriebe aufgrund von Sanktionen aus der Volksrepublik zurückziehen müssen. 

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